Daniel Krause


Hans Moser – Der traurigste der Komödianten.

Ein Epitaph.

 

 

Abstract :Hans Mosers Name ist bekannt. Doch wer kennt die Filme und Platten? Ein unersetzlicher Reichtum menschlichen Ausdrucks fällt dem Vergessen anheim. Niemand anders verstand sich wie Moser aufs „Lächeln unter Tränen“. Wir wollen innehalten, um an den größten komödiantischen Genius des letzten Jahrhunderts zu erinnern.

Epitaph

Zu Zeiten der Bully und Ricks, der Anke Engelkes, Axel Steins und Atze Schröders gilt Komik so viel wie Klamauk. Die Geistigkeit des Lachens – verloren. Ganz wenige lassen sie ahnen. Christoph Maria Herbst alias „Stromberg“, vielleicht. Bastian Pastewka, in seinen besten Momenten. Wir täten gut daran, uns des profundesten Komödianten zu entsinnen: Hans Mosers, des „Wahrspielers“ Reinhardts, schmählich missverstanden zu Lebzeiten, heute, außerhalb Wiens, beinahe vergessen. Seine Wurzeln liegen tief im 19. Jahrhundert. Doch niemand hat vermocht wie er, das ewig Allzumenschliche zur Anschauung zu bringen, lachend und weinend – nicht selten in einem. An der Isonzo-Front, im Schützengraben, hat Moser seine Kunst erlernt. Hier wird er Komödiant, von Anfang ein Meister des Zwiespalts. Keiner der großen Tragöden hat mehr vom Humanum gezeigt. Wer hätte das Drama gescheiterten Lebens genauer bezeichnet als jener Alte Herr Kanzleirat? Wo fände sich die Seligkeit des Rausches emphatischer, verhaltener besungen als in der Reblaus? Wer vermöchte so feine Modulationen des Tons und des Tempos zu artikulieren? Welcher andere Mime hätte unseren Wortschatz bereichert, wie Moser ums „Mosern“? In seinem Hans-Moser-Huldigungsbuch (1965) – ein seltenes Genre in unseren Tagen – schreibt Oskar Maurus Fontana, der Wiener Theatermann:

„Das Hans-Moser-Gesicht, wie es sich im Laufe der Jahrzehnte durch eigenes Erleben und durch das vieler in sich aufgenommener Gestalten formte, hat das Gute und das Böse, das Gewittrige und den Sonnenschein, das vertrauensvoll Kindliche und das skeptisch Fragende gleicherweise auf eine ebenso geheimnisvolle, wie faszinierende Weise in sich vereint. In der Vielfalt der Gesichter das eine, das Hans-Moser-Gesicht zu finden und zu entwickeln – das machte Hans Moser zum großen Künstler, das gab seinem Humor die Lebenstiefe und die Schicksalsweite“ (11f)

Gewiss, befremdliche Töne, nach dem Maßstab unserer Zeit. Doch trifft Fontana nicht das Wesentliche aller Schauspielkunst? Trotz aller Stückezertrümmerung, allen Regietheaters – das „Geheimnis der Verwandlung“ bleibt die geistige Mitte allen Theaters. Bei Ulrich Matthes und Udo Samel nicht weniger als anno dazumal:

„Das Mosersche Theater stand unter dem Gesetz und dem Geheimnis einer dreifachen Verwandlung. Die erste war, daß er sich in jede Rolle mit ihrem Lebensinhalt an Ernst und Heiterkeit verwandelte. Die zweite war, daß er jede Rolle in sich und seinen eigenen Lebensinhalt an Komik und Tragik verwandelte. Und die dritte, die höchste Verwandlung war, daß er alle Rollen über ihr Theaterhaftes hinaus in Menschen mit einem eigenen Schicksal verwandelte.“ (190)

Es ist nicht allein sein Gesicht, Hans Mosers uneinholbar uneindeutiges Mienenspiel. Vor allem die Stimme ist sein Vehikel, unverwechselbar durch alle Verwandlung. Wer anders hätte einen derart persönlichen Tonfall kreiert, nach Lautung und Intonation?

„[…] so wie er das Hans-Moser-Antlitz im Laufe seiner Entwicklung fand, […] so er-fand er sich seine Sprache, die unverwechselbare, einmalige, oft kopierte, aber nie erreichte Hans-Moser-Sprache. Sie ist die Schöpfung eines Künstlers mit dem feinsten Gehör für alle musikalischen Schwingungen des Gesprochenen, aber auch mit dem feinsten Gehör für alle menschlichen Zwischen- und Untertöne im Gesagten, ja im Sagbaren, bis ins Unsagbare hinein, bis in das vom Verstummen Bedrohte und vom Schweigen Verschluckte.“ (12)

Mit „Nuscheln“ ist Mosers Gestus nur unzureichend bezeichnet. Fontana hat die Fülle der Ausdrucksformen unübertrefflich beschrieben:

„[…] was hat Moser aus diesem undeutlichen Sprechen gemacht! Wie viele Möglichkeiten hat er hier erschlossen! […] Manchmal war es so, als seien die Sätze überfahren worden und als würden nun die verletzten und verstümmelten Wortfügungen von einem freiwilligen Samariter, der sich aber selbst nicht zu helfen wußte, aufgelesen, so gut es eben ging, und neuerlich durcheinandergeworfen. Zum „Moserischen“ gehörte mißmutiges Knurren, ein sekkantes Raunzen, ein wichtigtuerisches Plappern, das sich in kleine, über sich selbst belustigte Gickser auflöste. Ebenso gehörte zum Moserischen ein balzendes Schnalzen, ein Zischeln durch die Zähne, […] ein Zerkauen und Zerquetschen der Silben und in der Aufregung ein Krähen und ein verzweifeltes Hinaufschrauben der Artikulation bis zu einer sich überschlagenden Fistelstimme.“ (13f)

Es versteht sich von selbst, dass Moser auch singt. (Wo sind sie heute, die sich auf beides, aufs Sprechen und Singen, verstehen?) Schlager und Wienerlieder scheinen gleichermaßen tragisch hinterlegt. Im Hobellieb hat der Tod seinen Auftritt. Fontana hat die Durchdringung von Tragik und Komik als innerstes Geheimnis der Kunst Hans Mosers entlarvt:

„Daß Hans Moser der schlichteste Schauspieler des Lachens war, der die Grobheit aus Zartheit, die Spaßmacherei schalkhaft trieb, wußte man. Daher ehrte und begehrte man ihn als ‚Komiker’. Als tragischen Darsteller dagegen konnte man sich ihn, diesen listigen Lustigen, nicht vorstellen. Er mußte ja nur sein sanftes, windschiefes Lächeln […] aufbieten, um die Zuschauer sofort zur Heiterkeit hinzureißen. Daß auf ihrem Grunde etwas schamhaft Verborgenes lag, sah man nicht oder wollte es nicht sehen: Tragik. Keine solche der Ausbrüche, sondern der Stille, keine der Demonstration, sondern der Konfrontation mit dem Schicksal, dem man nicht aufbegehrend begegnen kann; duldend vielmehr, mit einer Ergebenheit, die dem Übermut fern, der Demut ganz nahe stand.“ (176f)

Demut, das sollte auch unsere Haltung sein, dem unerreichten Komödianten gegenüber, dem Größten der Kleinkunst. Hans Moser wurde „Unsterblichkeit“ prophezeit, mit einigem Recht. Sein Andenken wird unsere dürftigen Zeiten überdauern. „Comedy“ ist für den Tag. Sein Lachen währt ewig – gleich, ob es gehört wird.

Hinweis

Oskar Maurus Fontanas Hans Moser. Volkskomiker und Menschendarsteller ist 1965, ein Jahr nach Mosers Tod, bei Kremayr und Scheriau erschienen.



Verfasser: Daniel Krause, veröffentlicht am 25.10.2006

       

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