Matrix / Neo / Morpheus / Trinity / Verfremdung / Ordnung / Konstruktivismus / Jeo / Erlösung / Religion |
Sebastian Görnitz-Rückert Ordnung
braucht der Mensch! Folgende Überlegungen
beschäftigen sich mit dem Kinohit "Matrix", der von vielen als
den besten Film des letzten Jahres, von einigen in aller Bescheidenheit
gar als DER Film des nächsten Jahrtausend verkündet wurde.
Einer näheren Untersuchung ist "Matrix" schon deswegen würdig,
weil es ihm gelungen ist, so unterschiedliche Zielgruppen wie z.B. 16-jährige
Actionfans und promovierte AkademikerInnen anzusprechen, obgleich ihm
ein Weltbild zugrunde liegt, das nüchtern betrachtet reichlich
unglaubwürdig erscheint: Eine Erlöserfigur soll die ahnungslose
Menschheit aus ihrem durch intelligente Maschinen versklavten Dasein
retten. Wie gelingt es dem Film, diese Vorstellung glaubhaft zu machen,
und warum wird dabei so hartnäckig auf eine Vielzahl religiöser
Vorstellungen zurückgegriffen? "Matrix" ist ein Film, der einen beim ersten Sehen in den Bann zieht. Und nicht nur das. Er schafft es zugleich, glaubhaft ein unglaubliches Weltbild zu entwerfen: Die heutige Menschheit wird von intelligenten Maschinen als Energiespender benutzt, kann dies allerdings nicht wahrnehmen, da sie sich durch softwarebasierte Simulationen des Nervensystems in einer Scheinrealität glaubt. Alle Wahrnehmungen, alle Empfindungen werden von Computern in den Gehirnen der Menschen erzeugt, die diese Bilder für wahr halten. Angenommen, man würde dies gegenüber jemandem, der weder alte Vorgänger dieser Vorstellung (wie das Comic "Hardboiled") kennt noch Wissen über neuere Wahrnehmungstheorien besitzt, mit Nachdruck für die Wirklichkeit ausgegeben - mitleidiges Kopfschütteln wäre noch die harmloseste Folge. - Wie also gelingt es Matrix, diese Welt glaubhaft zu machen? Die These ist: Der dramatische Effekt und das Fürwahrhalten der gezeigten Welt beruht letztlich auf einem grundlegendem menschlichen Bedürfnis: Dem Wunsch nach bzw. die menschliche Notwendigkeit von Orientierung. Dies soll kurz erläutert und durch eine Strukturskizze veranschaulicht werden. Hieran werden sich allgemeinere Überlegungen zur menschlichen Wahrnehmung anschließen. 1. Das Konstruktionsprinzip von "Matrix" Das eben beschriebene Weltbild wird vor allem deshalb glaubhaft, weil in "Matrix" erst eine Welt erzeugt wird, die uns zunächst überaus bekannt vorkommt, aber - und das ist entscheidend - unsere Wahrnehmung durch einige Begebenheiten irritiert wird: Amerikanische Polizisten im Einsatz, Blaulicht auf regenverwaschener Straße kennt man schon aus dutzenden Kino- und Fernsehfilmanfängen, die nunmal zur Welt gehören, in der wir leben. Doch kurz darauf enthält diese Welt in "Matrix" Elemente, die uns völlig unbegreifbar, geradezu fremd erscheinen. Eine Frau läuft die Wände aufwärts oder springt über Häuserschluchten. Ein Unbekannter (den ja alle Kerle für einen Mann halten) kommuniziert mit dem Besitzer eines PCs und kann Ereignisse voraussagen, die unmittelbar eintreten ("Knock, knock, Neo." [7:30]). Mit anderen Worten: die gewohnten physikalischen und kommunikativen Gesetzmäßigkeiten werden außer Kraft gesetzt. Und das ist es, was den Zuschauer verwirrt und desorientiert. Denn der Rest der gezeigten Welt vermittelt ihm: "Eigentlich müsste ich mich hier auskennen!" Diese Desorientierung teilt der Protagonist Neo wie auch
Nebendarsteller (eben z.B. die Polizisten), was dem Zuschauer zudem
das Gefühl gibt, dass seine Verwirrung zurecht besteht. Verwirrtheit
ist nun aber für jeden Menschen ein unangenehmer Zustand, den er
loswerden will. 2. Matrix und Wahrnehmungstheorie Diese Überlegungen können nun verallgemeinert werden, indem man sie auf eine allgemeine Theorie von menschlicher Wahrnehmung bezieht. Hierfür bietet sich aus mindestens zwei Gründen der Ansatz des Konstruktivismus an. Dieser stellt einerseits unzweifelhaft die Bezugsgröße der in "Matrix" selbst angedeuteten Theorie von menschlicher Wahrnehmung dar: "Matrix" ist angewendeter Konstruktivismus auf Unterhaltungsniveau (- wobei Konstruktivismus schon immer auch unterhaltsam war (2)). Zugleich scheint auch die Machart des Films mit diesem Denkgebäude konform zu gehen: Der hinter "Matrix" stehende Konstruktivismus benötigt einen Zuschauer, der nach konstruktivistischen Axiomen funktioniert. a) Was ist Konstruktivismus?
b) Konstruktivismus
in "Matrix"
Mehr oder weniger direkt, wird hier auf Grundprämissen des Konstruktivismus angespielt. Diese und ähnliche Sprachsequenzen liefern dem Zuschauer Stück für Stück die nötigen wahrnehmungstheoretischen Grundlagen nach, so dass er leichter verstehen kann, was gezeigt wird. Dass ihm diese Erklärungen einleuchten, liegt allerdings daran, dass er ähnliches zuvor an sich selbst erlebt hat und auch im Alltag ständig erleben kann. 3. Der konstruktivistische Zuschauer Wer die obigen Ausführungen zum Konstruktionsprinzip von "Matrix" nachvollziehen konnte, ist ein Zuschauer, wie ihn der Film benötigt: Ein Zuschauer, der so wahrnimmt, wie es der Konstruktivismus (re)konstruiert hat. Ein Zuschauer, dessen Konstruktionsleistungen im Normalfall dafür sorgen, dass er sich ohne größere Umstände durch die Welt bewegen kann, ohne von anderen für verrückt erklärt zu werden. Einer, der gelernt hat, dass man Unverständliches am besten dadurch beseitigt, indem in sich ein Weltbild erzeugt, dass auch das zuvor Unerklärliche mit einbezieht. Auch er kann sagen: "Mir missfällt der Gedanke, mein Leben nicht unter Kontrolle zu haben." [25:47] Dieser Zuschauer will die Welt von "Matrix" verstehen, wie er seine Welt verstehen will. Dieser Zuschauer muss Erklärungen konstruieren, weil auch er sich angesprochen fühlt: "Du fühlst, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was." [26:13] Aber es gelingt ihm nicht, solche Erklärungen zu erzeugen. (3) Vielleicht, weil er zu wenig kreativ ist, vielleicht, weil er weiß, dass Filme meist von sich aus Antworten geben, wenn man versucht, geduldig auszuharren. Vielleicht aber auch deshalb nicht, weil ihm das, was er vorlaufend tut, so selbstverständlich ist, dass er sich dessen nicht bewusst ist: Es muss ihm erst gesagt werden, dass er die Welt konstruiert, er muss erst begreifen, dass er nichts anderes in den ersten 30 Minuten des Film gemacht hat. Wie sonst könnte ihm einleuchten, was er anschließend sieht und hört? - Freilich: Das Prinzip wird nicht durchgehalten, der Zuschauer soll nicht auch noch die Gegenwelt zur Matrix hinterfragen, sonst wäre ja der ästhetische Genuss im Eimer. Hierfür werden in "Matrix" Geschütze aufgefahren, die als Realitätsmarierungen (Realitätsbeweise) der plumpesten Art gelten müssen (- auf die Wirkung z.B. emphatischer Musikeffekte gehe ich nicht eigens ein): "Ich habe selbst lange nicht daran geglaubt, bis ich die Felder mit eigenen Augen gesehen habe." [41:17]"Willkommen in der wirklichen Welt." [34:50] "Ironischerweise ist das nahe an der Wahrheit." [25:38] "Das war ja doch kein Traum!" [23:47] - "Ist das ein Traum?" - "Weit davon entfernt!" [34:20] In Matrix wird also zum Teil der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben. Dem Zuschauer mag das nicht auffallen oder egal sein, ja er dürfte gar nicht wollen, dass ihm das auffällt, weil sonst die Erklärungskraft des dualistisches Weltbildes aufgehoben wäre. Der Konstruktivismus in "Matrix" ist kastriert, aber deshalb so wirkungsvoll. (2. Teil) "Matrix" ist vielfach besprochen und bewertet worden. Wie auch immer die Kritiken ausgefallen sind, erstaunlich selten wurde dabei auf die religiöse Dimension von "Matrix" näher eingegangen. Meist ist neben dem Aspekt des Genre-Mix (SF, Action, Martials-Arts, Cyberspace-Thriller) nur von einer "Philosophie" oder "durchdachten Philosophie" oder "unglaublich gut durchdachten Philosophie" die Rede. (4) Erstaunlich deswegen, weil Religion in diesem Film eine beachtliche Rolle zu spielen scheint. - Aber auch dort, wo auf religiöse Elemente hingewiesen wird, findet sich kein Erstaunen darüber, dass ein solcher Film heute populär sein kann. (5) 1. Religiöse Vorstellungen in "Matrix" In "Matrix" findet sich eine Vielzahl religiöser
Vorstellungen oder Anspielungen auf Begebenheiten aus dem Bereich der
Weltreligionen sowie der griechischen Mythologie. Bevor überlegungen
zur Bedeutung und Funktion dieser Elemente bzw. von Religion allgemein
in "Matrix" angestellt werden, sollen einige Belege aufgezählt
und zumeist zum besseren Verständnis kurz erläutert oder kommentiert
werden: Während kaum oder gar nicht - zumindest für den Autor nicht erkennbar - auf islamische Vorstellungen zurückgegriffen wird, spielt fernöstliche Religiosität eine etwas größere Rolle in "Matrix": Die Vorstellung der Wiedergeburt wird bemüht (und in die Weissagung des Orakels integriert), wobei die Konzentration auf eine einzige heilbringende Figur, die wiedererweckt wird, möglicherweise eher als biblisch anzusehen ist [vgl. Elia - Johannes der Täufer (z.B. Lk 1,17 oder Joh 1,21) sowie die Hoffnung auf die Wiedererweckung König Davids (z.B. Ez 34,23)]. Die Matrix selbst kann von Hinduisten oder Buddhisten vermutlich mit der Vorstellung des äußerlichen Trugbilds der Welt - Maya - übereingebracht werden, das durch die wahre Erkenntnis der Wirklichkeit zu durchstoßen ist. Hierzu muss man allerdings erst seinen Geist befreien, wie es Neo zu tun hat, damit der Sprung vom Hochhausdach erfolgreich ist, ähnlich wie auch Petrus lediglich glauben müsste, um auf dem See Genezareth laufen zu können (vgl. Mt 14, 28-32). Implizit könnte auch noch die buddhistische Sicht des Lebens als ein fortwährendes Leiden in Cyphers Abneigung der "wirklichen Wirklichkeit" oder in der Aussage von Agent Smith wiederentdecken, dass die erste Matrix nicht angenommen wurde, weil sie ein harmonische und leidloses Leben präsentierte. Gleichwohl wären dann Cyphers Konsequenzen aus dieser Erkenntnis keinesfalls buddhistisch. Schon diese skizzenartige Auflistung wirft Fragen auf:
Warum wird in so massiver Weise auf religiöse Vorstellungen zurückgegriffen?
- "Terminator" oder andere SF-Action- oder auch Kung-Fu-Filme kommen
weitgehend ohne aus, obgleich es auch dort unter Umständen um die
Rettung der ganzen Menschheit gehen kann. Und warum wird eine solche
Vielzahl und Kombination von religiösen Elementen bemüht?
Nebukadnezar II. ist ein bedeutender babylonischer
König, der ab 605 den gesamten Nahen Osten unter seine Herrschaft
zwingt. Im Jahr 597 v. Chr. erobert er Jerusalem zum ersten Mal, 586
zum zweiten Mal. Dabei wird die Stadt und der Tempel zerstört und
die Oberschicht ins babylonische Exil deportiert, ein schrecklicher
Markstein in der israelitischen Geschichte. In "Matrix" trägt diesen
Namen allerdings das Raumschiff, von dem aus der Aufstand gegen die
Maschinen durchgeführt wird. Sicherlich kann man versuchen, das Zitieren unterschiedlicher religiöser Vorstellungen auch anders zu deuten. Eine Möglichkeit besteht darin, auf das sog. postmoderne Abdanken der großen Erzählungen (Lyotard) zu verweisen. Heute würden eben alte Traditionsbestände nur noch spielerisch aufgegriffen, neu zusammengefügt und ihre ehemaligen Bedeutungen verwischt: Andernfalls müsste man angesichts des mythologischen Hintergrunds bei Morpheus wirklich ins Grübeln kommen. Doch eine solche Deutung hat Erklärungsprobleme:
Sie kann kaum begreiflich machen, warum eine dieser Vorstellungen -
Neo als der Erlöser - eine so zentrale Stellung einnimmt, dass
sie Motor der gesamten Handlung ist und auch der Ausgang des Films von
ihr abhängt. Berücksichtigt man dieses Problem der in der
Handlung von "Matrix" vollzogenen Notwendigkeit von Glauben an einen
Erlöser, kann man schwerlich von spielerischem Umgang mit Traditionsbeständen
sprechen. Passender wäre dann allenfalls noch eine Bezeichnung
wie "postmoderne Esoterik", die freilich den Begriff der Postmoderne
bloßstellt und verabschiedet. - "Matrix" hat also eine religiöse
Grundschicht, an deren Ernstgenommen-werden-Wollen kaum zu rütteln
ist, wie lächerlich man sie auch immer finden mag. 2. Konstruktivismus, Literatur und Religion in "Matrix" Aus der Perspektive des Konstruktivismus dürfte Religion
der Versuch sein, dem grundlegenden menschlichen Bedürfnis nach
Orientierung ein Gesicht zu geben: Religion ermöglicht das Begreifen
der Welt, indem sie eine Außenperspektive auf die Welt erzeugt,
die die Frage nach dem Sinn, nach dem Woher und Wohin der Welt beantworten
kann. Mithilfe von Religion kann also eine abgeschlossene Vorstellung
von der Welt erzeugt werden. Hinsichtlich der Orientierung bietet sich außerdem eine weitere Möglichkeit an. In "Matrix" wird auf eine der Religion verwandte, ihr abgeschaute Möglichkeit der Weltdeutung hingewiesen, nämlich auf (profane) Literatur. Neos Erlebnisse werden mit den Geschehnissen in "Alice im Wunderland" verglichen. Und auch dieser Vergleich bringt Orientierung, weil es sich um ein ähnliches, freilich nun genau benennbares Beispiel von Desorientierung handelt, das durch seine Benennbarkeit wieder einen Orientierungsrahmen bietet. Statt auf religiöse Elemente zurückzugreifen, hätte "Matrix" im Sinne einer Orientierungsfunktion unter Umständen also verstärkt auf profane literarische Muster zurückgreifen können. Warum ist dies nicht geschehen? Oder anders gefragt: Worin liegt letztlich der Unterschied zwischen Literatur und Religion in "Matrix"? Betrachtet man die dargestellte Welt genauer, werden zwei
Unterschiede deutlich: Einmal sind es die Konsequenzen, die aus der
jeweiligen Orientierung folgen - zum andern ist es das unmittelbare
Verhältnis zur "wirklichen Wirklichkeit". - Religion unterscheidet
sich nicht grundlegend darin von Literatur, dass sie Orientierung ermöglicht.
Aber die Intensität der Wirklichkeitswahrnehmung und die daraus
resultierenden Handlungsmuster sind das, was sie einerseits trennt:
Ob Neo die "tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus" ausfindig machen will
oder ob er sprachlich lieber die "Wirklichkeit" oder die "Wahrheit"
erkunden möchte, ist letztlich egal. Das literarische Muster könnte
einfach weggelassen werden, ohne dass sich etwas an Neos Wahl ändert.
Aber Morpheus' und Trinitys Glaube ist unabdingbar notwendig, um Neo
als den Erwählten ausfindig zu machen und ihn mit dem Ziel der
Weltrettung auszubilden. Es sind einerseits also diese Konsequenzen
des Glaubensbegriffs, die durch profane Literatur in "Matrix" nicht
stimuliert werden können. (6)
Doch die religiöse Dimension von "Matrix" geht nicht einmal darin
auf: Vielmehr scheint sich Religion fundamental von profaner Literatur
zu unterscheiden, wenn es um das Verhältnis zur als wirklich ausgewiesen
Wirklichkeit geht. Religion gründet sich "in Matrix" auf etwas,
das die Wirklichkeit verändert hat und es weiterhin tun soll. Ohne
den Auserwählten würde es keine Möglichkeit zum Aufstand
geben, denn er war es, der die ersten Menschen befreit hat. Und ohne
Morpheus' und Trinitys felsenfeste Gewissheit bestünde der Aufstand
nicht nur nicht mehr und würde auch Neo nicht ausfindig gemacht
worden sein, sondern wäre der Kampf auch von vorneherein verloren.
Morpheus' und Trinitys und schließlich auch Neos Glaube befähigt
sie, im Kampf gegen die Maschinen Erfolg haben zu können. Dies
gelingt mit "Alice" nicht. Das Entscheidende ist freilich: Dass sie
diesen Erfolg zuletzt auch tatsächlich haben, liegt an der Grundbestimmtheit
einer Welt, die Neo als den Auserwählten ausweist. 3. Die Vorstellung der Erlösung Thema der Theologie ist unter anthropologischer Perspektive
die Freiheit. Es geht um die Freiheit des Menschen, genauer gesagt um
seine Befreiung aus einer Lage, aus der er sich nicht selbst befreien
kann, weil er aufgrund seiner Sündhaftigkeit nicht vor Gott gerecht
ist. Diese Freiheit erhält er durch den Glauben daran, dass er
durch Jesu Tod diese Gerechtigkeit erlangt. Auch in "Matrix" geht es
strukturanalog um dieses Thema der Freiheit: "Die Wahrheit ist, dass
du ein Sklave bist." [27:09] Die Menschen sind nicht von sich aus fähig,
aus der Matrix auszubrechen, sich selbst zu befreien. Hierzu bedarf
es eines Mannes mit besonderen Fähigkeiten, der nach seiner Wiedergeburt
die Matrix zerstören wird. (7)
GEMEINSAMKEITEN
UNTERSCHIEDE
Auch diese Zusammenstellung macht deutlich, in welch hohem Maße "Matrix" ein religiöser Film ist. Ihm liegt ein bedeutender Teil der christlichen Erlösungslehre zugrunde. Es ist dies die Notwendigkeit von Erlösung, weil es sich um die Befreiung aus einer schrecklichen Gefangenschaft handelt, die nicht mit gewöhnlichen, menschlichen Kräften zu bewerkstelligen ist. Die Realisierung dieser Erlösung ist sicherlich sehr verschieden, ja für "Matrix" auch noch gar nicht abzusehen, doch Neo trägt alle Züge eines Messias und ist in manchem Jesus zum Verwechseln ähnlich. - Muss so eine Geschichte sein, die sich heute gut verkaufen lässt? 4. Ausblick Ein positives Verständnis von Religion und Glaube ist - vor allem wenn es sich um christliche Vorstellungen handelt - in unserer Gesellschaft nur erschwert anschlussfähig, so scheint es zumindest. Warum kann "Matrix" dann aber einen solchen Erfolg haben, obgleich der Film letztlich eine einzige Predigt über wahren Glauben und bedeutende Inhalte der christlichen Erlösungslehre ist? Liegt es daran, dass sich Neo den Weg zur Erlösung über weite Teile des Films freiballert? Ist das der entscheidende Unterschied? Aber was soll dann die Auferweckungsszene? Sie stilisiert Neo unübersehbar zu Jeo bzw. Nesus. Oder sollte es etwa daran liegen, dass das Wissen um die Erlösungsbedürftigkeit der Menschen populärer ist, als gemeinhin angenommen? Der Erfolg von "Matrix" widerspricht dem zumindest nicht. Auf zwei Sachverhalte sollte noch aufmerksam gemacht werden:
Einerseits auf die Tatsache, dass "Matrix" selbst natürlich nur
ein "Film" ist. Wenn man zwischen den Medien Literatur und Film nicht
grundsätzlich unterscheidet (und warum sollte man das?), führt
dieser Film, indem er Religion gegen Literatur ausspielt (vgl. oben
Punkt 2), seine eigene Theorie über sich und sein Verhältnis
zur Religion mit sich: Während "Matrix" wie "Alice im Wunderand"
nur erdacht ist, gibt es Jesus oder Buddha tatsächlich. Mindestens
einer von ihnen soll grundlegend und zukunftsträchtig auf die Wirklichkeit
eingewirkt haben. |
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