Daniel Krause

 

Sir Peter's Glanz und Ende -
An der Bayerischen Staatsoper geht die Ära Jonas/Mehta zu Ende

 

Das deutsche Feuilleton ist geneigt, München in allen Belangen zu schmähen. Das gilt für den Fußball, ebenso für die Künste: Ressentiments führen den Rezensenten der FAZ, der WELT, der ZEIT von jeher die Feder. Gewiss, der Reichtum Münchens provoziert. Doch nicht sein Wohlstand hat München zu Deutschlands Metropole der Künste gemacht. Es ist der höfisch-bürgerliche Sinn fürs Schöne, die Sehnsucht nach Vollendung für den Augenblick - man denkt barock. Kein Zweifel: Ein wenig Eitelkeit, fare bella figura, ist stets mit im Spiel. Sie sei dem Münchner Bürgertum gern zugestanden: Es schenkt der Welt ein Opernhaus, das Kennern und Liehabern als eines der ersten auf Erden gilt, zumal nach 13 Jahren der Intendanz Sir Peter Jonas'. Nicht wenige glauben, einzig in München werde Musiktheater im umfassenden Sinne geboten. Man leistet sich mancherorts beste, teuerste Sänger: in Mailand, New York, London und Zürich. Doch dort ist die Szene verwaist: Man steht an der Rampe und singt. Kein Wimpernzucken, es sei denn aus der Schablone. In Hamburg, Stuttgart, Paris macht man Furore mit wilder Regie. Zuweilen gelingt's. Aber der Klang (von der Bühne und aus dem Graben) kann höchstem Anspruch nicht genügen. In München dagegen ist beides: Erlesene Sänger und ein Orchester von 500 Jahren, mit sattem, gerundetem Klang von edelster Patina. Dazu Theater, das denkt. Freilich, so war es nicht immer: Unter Sawallisch erstarrte die Szene. Doch seit Sir Peter's Zeiten sind Alden, Konwitschny et altri in München zu Hause. Kluges Theater, mit höchster orchestraler Raffinesse verbunden: Das ist einzig in der Welt. Dass Münchens Größe kaum je gewürdigt wird, gereicht dem Feuilleton zur Schande. Man wagt es, Mehta zu schmähen: Ein Jetset-Dirigent, unverbindlich und glatt. Gern spielt man ihn gegen Metzmacher aus, den avantgardistischen Jungspund, selbst Thielemann wird bemüht, der spätpubertierende Meister deutschtümelnden Schwulstes. Es bedarf in der Tat musikalischer Reife und Einsicht, die Größe Mehtas anzuerkennen, eines Kapellmeisters in Keilberths, Sawallischs Nachfolge, der ohne Exzesse, ohne Effekte auskommt. Mit vierzig Abenden in der Saison - darunter viel Repertoire, keinesfalls nur Premieren -, von Mozart bis Reimann, schenkt er München musikalischen Alltag auf höchstem Niveau. Immer erneut lehrt er den Hörer, was Kunst ‚der Mitte' bedeutet, gediegenes Maß, Disposition mit der Übersicht eines Meisters. Bewundernswert Mehtas musikalischer Universalismus - in einer Zeit der Spezialisten, wo Metzmachers Hamburg nur Neutönendes bot (oder sich anheischig machte, Altes ‚neu zu entdecken'), Thielemann in Berlin sich auf Wagner und Strauss kaprizierte, um vor dem Kern des Repertoires: vor Mozart zu versagen.

Was wird die Zukunft bringen? Klaus Bachler, der designierte Indentant, schuf an der Burg einen Gemischtwarenladen - so geht die Rede. Doch wahrte er den hohen Rang des Hauses. Wie steht's um Nagano, den Schüler Messiaens, der Mehtas Erbe antritt? Der dichteste Tonsatz gerät ihm durchsichtig, schlackenlos rein. Französisches - das ist sein Metier. Doch kann er vor Mozart bestehen? Wie steht es mit mitteleuropäischem Repertoire? Vermag Nagano, den ‚deutschen' Klangstil des Orchesters zu bewahren - wider das globalisierte Einerlei? Nicht Britten, nicht Purcell zu pflegen, ist München aufgegeben. Nicht russische, nicht französiche Oper. Mozart, Wagner und Strauss: Das sind von je die "Hausgötter" der Bayerischen Staatsoper gewesen. Ihnen gilt es zu dienen, im Geiste Keilberths und Rennerts, Sawallischs und Everdings, Mehtas und Jonas'.



Verfasser: Daniel Krause, veröffentlicht am 18.04.2006

   
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