Timo Kozlowski

Es gibt im Weltraum keinen Tee

Abstract: "Per Anhalter durch die Galaxis" - durch diese letztlich auf sechs Bände angewachsene Science Fiction-Trilogie ist der im Mai 2001 verstorbene Douglas Adams zum Kultautor avanciert. Hierzulande etwas weniger bekannt ist, dass die Geschichte um Arthur Dent und Ford Prefect im britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ihren Anfang nahm und schon sehr früh in allen Medien (Radio, Fernsehen, Schallplatte, Computerspiel, der Film ist seit Jahren geplant) vertreten war. Neben dem schwarzen Humor und absonderlichen Gestalten sind Adams' Werke teilweise auch überraschend weitsichtige Technikvisionen. In Kalifornien, wo sich Adams kurz vor seinem Tod niedergelassen hat, kreisten seine Gedanken zuletzt darum, wie im Internet das demokratische Ideal der griechischen polis wieder aufleben könnte.

Meine erste Begegnung mit Douglas Adams' Werk? Das Schockierende für mich ist im Nachhinein, dass ich mich nur an das Drumherum erinnere. Irgendwann zu Beginn der 80er Jahre lief im Nachmittagsprogramm der ARD die BBC-Serie "Per Anhalter durch die Galaxis". In unserer Fernsehzeitschrift war die Sendung als "englischer Straßenfeger" angekündigt. Das Nächste, an das ich mich wegen dieser Serie sonst noch erinnere, ist, dass sie bereits nach der ersten Folge auf dem familieninternen Index stand: Das soll komisch sein? Ich kann nicht mehr sagen, ob ich damals für "Per Anhalter durch die Galaxis" Partei ergriffen habe.

Das erste Mal, dass ich Douglas Adams bewusst wahrgenommen habe, war etwa vier bis fünf Jahre später, als mir ein Schulfreund die Handlung des Buches schilderte - und diesmal war ich allein schon von dem, was ich gehört hatte, fasziniert, und es stand fest, dass ich dieses Buch unbedingt lesen muss. Welches Verständnis von Komik ich vor diesem Buch hatte - ich kann es nicht sagen, denn die Lektüre von "Per Anhalter durch die Galaxis" hatte es so vollständig verändert und alles zuvor Wahrgenommene überlagert, dass ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen kann, was ich zuvor witzig gefunden habe.

Zu dem Zeitpunkt war der "Anhalter" schon ein multimediales Phänomen. Der Ur-"Anhalter" war eine Radio-Serie der BBC, die zum ersten Mal am 8. März 1978, um 10.30 Uhr abends ausgestrahlt worden war und der Sender ist, wie es ja auch bei mir der Fall war, der Sendung anfangs nicht sonderlich grün gewesen, da sich Adams mit seinem Produzenten endlose Wochen in den Aufnahmestudios der BBC verschanzte, um an den Soundeffekten zu basteln, ohne ein konkretes Ergebnis zu liefern. Zumal Adams zu Beginn allenfalls das Konzept hatte, Comedy mit Science Fiction zu verbinden, und der Plot zunächst nur daraus bestand, dass die Erde einer Umgehungsstraße im Hyperraum weichen muss. Weder Arthur Dent, der im Bademantel durchs All reist und keinen anständigen Tee findet, noch der auf der Erde gestrandete Weltraumtramper Ford Prefect waren zu dem Zeitpunkt vorgesehen. Alles hatte sich, so versichert Adams im Vorwort einer Sammelausgabe der "Anhalter"-Reihe, zufällig so ergeben, weil er immer nur eine Episode weit vorausplante: "Nach dem Ende einer Folge hatte ich keinen blassen Schimmer, was in der nächsten geschehen sollte. Wenn in den ganzen Verästelungen des Plots irgendein Ereignis ein anderes, das sich zuvor ereignet hatte, erhellte, so war ich genau so überrascht wie alle anderen auch."

Reaktionen von Zuschauern tröpfelten zunächst nur vereinzelt ein, aber dennoch beauftrage ein Verlag Adams damit, die Geschichte der Radioserie in einen Roman umzuwandeln. Und wie schon zuvor bei der BBC überzog er sämtliche Deadlines, bis er schließlich dazu aufgefordert wurde, auf der Seite, an der er gerade schrieb, abzubrechen und das Manuskript zum Druck zu geben. Das Buch war plötzlich auf Platz eins der "Sunday Times"-Bestsellerliste und blieb dort. Die Vermarktung in den Medien begann: Hörspiele wurden auf Schallplatte produziert (die nicht mit den im Radio gesendeten Versionen identisch waren!), die schon erwähnte Fernsehserie flimmerte über die Bildschirme, eine zweite Radiostaffel und ein zweites Buch (ebenfalls mit leicht unterschiedlichen Handlungsverläufen) erschienen und neben den drei weiteren Fortsetzungen schrieb Douglas Adams (zusammen mit Steve Meretzky) ein Textadventure für die Firma "Infocom", das auf der ersten Radiostaffel basierte und noch heute als eines der gewieftesten und gleichzeitig auch abgedrehtesten Computerspiele gilt.

Die Herkunft aus dem Radio ist dem Phänomen "Per Anhalter durch die Galaxis" deutlich anzumerken. Die einzelnen Kapitel des Buches wirken nicht abgeschlossen, sondern sind offen und im Handlungsverlauf äußerst sprunghaft. Der Erzähler konzentriert sich - glücklicherweise! - nicht auf eine Haupthandlung, sondern unterbricht sie immer wieder durch Exkurse oder kleine Nebenszenen, die mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun haben. Einmal lässt der Unwahrscheinlichkeitsdrive, der Antrieb des Raumschiffes "Herz aus Gold", mit dem die Helden der Geschichte durchs All rasen, einen Wal im Orbit eines Planeten entstehen. Adams schildert den philosophisch-absurden Bewusstwerdungsprozess des Tiers, während es auf die Planetenoberfläche zuschießt. Die Verbindung zur Haupthandlung besteht lediglich darin, dass die Helden ein paar Seiten weiter nach ihrer Landung auf dem Planeten an den überresten eines vom Himmel gefallenen Wals vorbeikommen und sich wundern, wie denn ein Tier von der zerstörten Erde hierher gelangt sein könnte.

Solchen kleinen Geschichten in den Romanen und den schrulligen Figuren dürfte es Adams wohl verdanken, dass die Romane um Arthur Dent nicht nur zu Kultbüchern des britischen Humors geworden sind, sondern viele seiner Ideen zu popkulturellem Allgemeingut. Wer noch immer nicht weiß, was es mit der Zahl 42 auf sich hat, sollte diese Lücke so bald wie möglich schließen.

Was Douglas Adams neben der "Anhalter"-Serie geschrieben hat, hat bei weitem nicht denselben Status erlangt. Dirk Gently, einer Mischung aus Scharlatan, Humphrey Bogart und Fox Moulder, ist der Zugang ins kulturelle Rückenmark verwehrt geblieben, und auch "Raumschiff Titanic", das zweite Computerspiel das unter Adams' Federführung entstanden ist, hat trotz eines anständigen Bekanntheitsgrades ebenfalls keine Selbstläufer innerhalb der Kultur produziert.

Schade, da der eher unbekannte Teil von Adams' Werk stellenweise interessanter ist - weniger seine sonstigen Romane als vielmehr seine Zukunftsvisionen. Diese sind schon in "Per Anhalter durch die Galaxis" erkennbar. Der titelgebende Führer für Abenteuerreisende durchs All ist schon lange nicht mehr auf Papier gedruckt - man müsste eine ganze Bibliothek mitschleppen, was auf längeren Reisen tendenziell unpraktisch sein kann -, sondern es ist ein elektronisches Buch, das seinen Inhalt auf einem kleinen Schirm ausgibt, dessen einzelne Beiträge über Hyperlinks vernetzt und per Suchfunktion abrufbar sind. Adams war zwar nicht der erste, der auf eine solche Idee gekommen ist, aber 1979 ist dies ein eher kühner Gedanke gewesen. Allerdings kein versponnener SciFi-Einfall, denn die PDAs, Palms und vor allem die ersten elektronischen Bücher (Softbook, Rocketbook) können ihre geistige Herkunft nicht verleugnen.

Adams hat seine Vision vom Computer im Alltag mittlerweile verfeinert und - trotz einiger recht radikalen Aussagen sind sie dennoch britisch-pragmatisch - ausgebaut. Nach seinem Umzug nach Kalifornien ist ihm aufgefallen, dass viele Formalitäten (Konto eröffnen, Kinder zur Schule anmelden, ...) sehr schnell übers Internet erledigt werden können. Alle von der staatlichen Verwaltung selbst ausgeführten Formalia hingegen würden quälend langsam ablaufen. Das selbe stellt er auch für politische Entscheidungen fest. Für den Bürger würden solche Prozesse undurchsichtig, weil die Zeit zwischen dem Auftreten eines Problems, dem ersten Lösungsansatz und vor allem dessen Auswirkungen so lang seien, dass die Bürger den Zusammenhang zwischen beidem nicht immer erkennen können. Also argumentiert Adams, dass auf der Grundlage der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets solche Entscheidungswege zum einen verkürzt aber zum anderen auch durch mehr Menschen getroffen werden sollten, wie in der griechisch-antiken Demokratie: "Der Mensch lernt durch Rückkopplung. In einer kleinen Dorfgemeinschaft kann jeder sehen, welche Folgen eine Entscheidung hatte; er kann Fehler schnell korrigieren und daraus für die nächste Entscheidung lernen" (Adams in "Spiegel" 39/2000).

Forciert hat Adams diese Entwicklung selbst, indem er den Reiseführer "Per Anhalter durch die Galaxis" bzw. "Hitchhikers' Guide to the Galaxy" im Internet initiiert hat (www.h2g2.com) - ein verlinkter Reiseführer, mit Suchfunktion, den jeder Vorbeisurfende mit neuen Tipps erweitern oder schon bestehende Einträge kommentieren kann. "Das Netz ist wie ein Regenwald, in dem sich in einer Art Evolution die beste Lösung durchsetzt" (ebd.). Die weitere Entwicklung der Site und den ersten Eintrag zum "Restaurant am Ende des Universums" wird Douglas Adams nicht mehr lesen können. Er starb nach einer Herzattacke am 11. Mai 2001 in Santa Barbara, Kalifornien.



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