Medienobservationen-Sonderausgabe

Textbegriffe – interdisziplinär

Was ist Text? Wie ist Text? Wann ist Text?

Herausgegeben von Doris Pichler
6. Mai 2022

Bild: ha11ok

Die folgende Sondernummer der Medienobservationen geht auf die Veranstaltung „Textbegriffe – interdisziplinär“, die im Rahmen der Tagung TextVerHandlungen im Jänner 2019 in Graz stattfand, zurück. Unter dem Primat der Interdisziplinarität wurde der Textbegriff von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und anregend diskutiert.

Die hier versammelten Beiträge vertiefen diese Diskussion und stellen den Textbegriff aus unterschiedlichen wissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten zur Diskussion. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Literatur-, Sprachwissenschaft, und der Theologie reflektieren über »Text« als potentiellen Grundbegriff interdisziplinärer Fragestellungen und stellen somit auch grundlegende Fragen zum Wesen von Interdisziplinarität.

Der Textbegriff zwischen den Disziplinen. Eine Einleitung

Der Textbegriff ist ein Grundbegriff vieler und vor allem unterschiedlicher Disziplinen und ist daher auch oftmals Bindeglied in interdisziplinären Forschungsfeldern oder zumindest Forschungsfragen. Die Einleitung zeigt unterschiedliche Perspektiven auf den Textbegriff (wie normative, strukturalistische, pragmatische und kulturwissenschaftliche) und geht der Frage nach, was die scheinbar grundlegende Inter- und Transdisziplinarität des Textbegriffs ausmacht.

Dieser Artikel erschien am 06.05.2022 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2022050514033007771833

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‚Texts in Action‘ – Zur epistemischen Funktion von Texten in der naturwissenschaftlichen Wissensproduktion

Die Science Studies haben im Zuge ihrer Praxiswende beachtliche Erkenntnisse nicht nur über konkrete Handlungen, Diskussionen und Interaktionen von Naturwissenschaftler_innen bei der Produktion ‚harten‘ Wissens zu Tage gefördert, sondern auch über die dabei zum Tragen kommende Bedeutung von Texten. Im Rekurs auf grundlegende Abhandlungen der Science Studies (u.a. von Shapin, Latour, Woolgar, Knorr- Cetina) bringt dieser Beitrag epistemische Funktionen von Texten in der naturwissenschaftlichen Wissensproduktion in den Blick. Im Fokus stehen die Durchsetzung der experimentellen Methode durch den Experimentalbericht, das Labor als Ort der Produktion von Inskriptionen und auf ihnen beruhenden Fachaufsätzen, dann die epistemische Wirksamkeit von Texten bzw. textueller Vorformen im experimentellen Forschungsprozess selbst und schließlich die textuelle Aushandlung von Wissen innerhalb einer Fachgemeinschaft.

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Mehr als Worte. Der Text als semiotische Einheit

Der vorliegende Beitrag versteht Texte als stets an soziale und kulturelle Handlungskontexte gebunden und betrachtet sie in der Bezugnahme auf die theoretischen Annahmen der Social Semiotics in ihrer Funktionalität in sozialen und kulturellen Prozessen der Repräsentation und Kommunikation. Aus diesem funktionalen und semiotischen Ansatz folgt auch, dass der Textbegriff auf andere semiotische Modi jenseits der Wortsprache und deren Zusammenspiel (Multimodalität) erweitert werden muss. Nur dann lassen sich die kulturellen Formen und Prozesse der Repräsentation und der Kommunikation angemessen und in ihrer ganzen Bandbreite erfassen.

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Text – Umfeld – Konnotation, oder: Texte als Feldopportunisten

Ein linguistischer Textbegriff ist insofern widersprüchlich, als das Fach zur Gewinnung seiner darstellungstechnischen Kategorien systematisch von allem absehen muss, was den Textsinn ausmacht. Vor diesem Hintergrund argumentiert der Beitrag für einen Textbegriff, der mit der Vorstellung bricht, Texte seien aus sprachlichen Bedeutungen komponiert. Voraussetzung für den textuellen Ausbau sprachlicher Mittel ist der Feldopportunismus der Sprachzeichen, deren konnotative Reflexivität und Indexikalität.

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Die Bibel zwischen Texttheorien und praktischer Arbeit am Text. Ein Plädoyer für einen humanen Umgang mit Texten

Der Beitrag verfolgt die These, dass aktuelle Bibelhermeneutik und Bibelexegese im Gespräch mit gegenwärtigen Texttheorien entworfen werden müssen und dass gleichzeitig gegenwärtige interdisziplinäre Texttheorien und -konzepte sehr viel von der langen und prestigereichen Geschichte der Bibelwissenschaften lernen können. Für die Arbeit an einem interdisziplinären Textbegriff sind die Bibelwissenschaften deshalb eine wichtige Referenz. Aus diesem Grund wird hier der Beitrag der Bibelwissenschaften für die Texttheorien dargestellt und im Besonderen der Begriff der Humanität und des humanen Umgangs mit Texten adressiert.

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