Jahresarchiv | 2012


Das Dritte Reich. Interpretationsansätze zum Roman von Roberto Bolaño

Der folgende Beitrag skizziert die Diskussionen zu dem Roman Das Dritte Reich des chilenischen Autoren Roberto Bolaño, diewährend eines Ausfluges der Mitarbeiter des Lehrstuhls von Oliver Jahrausvom 23-07.2012 bis 25.07.2012 in Dürrwies geführt wurden. DerRoman handelt vom Urlaubsaufenthalt des Protagonisten Udo mitseiner Lebensgefährtin Ingeborg in einem spanischen Urlaubsort, den erbereits als Kind mit seinen Eltern aufsuchte. Statt den Urlaub zu genie-ßen und sich um seine Freundin zu kümmern, spielt Udo akribisch einBrettspiel mit dem Namen „Das Dritte Reich“. Udo vertritt in diesemSpiel Deutschland. Ziel ist es, den Zweiten Weltkrieg „nachträglich“ zugewinnen. Schließlich beginnt Udo eine Partie mit einem Bootsverleiherdes Hotelstrandes, dem sogenannten „Verbrannten“. Die Folgen fürUdo und seine Umwelt bleiben nicht aus.

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Filmisch wohnen – bei Yasujiro Ozu und Mikio Naruse

Der Essay versucht, Gemeinsamkeiten des Kulturphänomens Wohnen und des Mediums Film zu ergründen. Dies geschieht anhand einer bedeutenden Gruppe klassischer japanischer Filme: der von den Regisseuren Ozu und Naruse vor allem in den 1950er Jahren geschaffenen sogenannten shomin-geki (Familien- und Alltagsgeschichten). Sie werden zunächst als untergründig dem Wohnen gewidmete Filme interpretiert; sodann wird herausgearbeitet, dass in diesem Wohnen eine Reflexion der Filmrezeption überhaupt zu erkennen ist.

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Im Hass vereint. Orpheus steigt herab an den Münchner Kammerspielen inszeniert gelungen, wie sehr das Fremde ängstigt und fasziniert

Am 29.09.2012 fand die Premiere von Orpheus steigt herab an den Münchner Kammerspielen statt. Sebastian Nübling inszeniert Tennessee Williams’ Drama als popkulturellen Rummelplatz. Auf der Bühne steht nicht nur ein grell blinkendes Kettenkarussell, es treten auch ein Hund, ein Motorrad und viele toupierte Blondinen auf. Die unangefochtene Aufmerksamkeit gehört jedoch der Hauptfigur Val Xavier, einem Fremden mit Schlangenlederjacke, der sich in das rassistische Milieu der Kleinstadtidylle wagt. Der Estländer Risto Kübar spielt diesen Exoten so schrill, bizarr und durch und durch queer, dass der Theaterabend nicht zuletzt aufgrund seiner Performance ein gelungener ist.

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Mohammed- Video. Die medienwissenschaftliche Perspektive

Dieser Artikel nimmt Salman Rushdies „Satanische Verse“, dieMohammed-Karikaturen von Kurt Westergaard und insbesondere dasMohammed-Schmäh-Video zum Anlass, aus medienwissenschaftlicherPerspektive darzulegen, dass ein Medienprodukt am allerwenigsten derVerursacher der Reaktionen ist, die es zur Folge hat. Vielmehr sind esvor allem die jeweiligen emotionalen Voraussetzungen auf Seiten derNutzer, die eine bestimmte Reaktion nach sich ziehen.

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Die NS-Zeit im ‚metahistoriographischen‘ Film der Gegenwart

‚Metahistoriographische‘ Filme wie La vita è bella, Der Untergang und Inglourious Basterds verzichten auf eine schematisierende Perspektive auf die Zeit des deutschen Nationalsozialismus. Stattdessen nehmen sie sich die Lizenz zu einem freien Umgang mit dem belasteten Thema, indem sie komische Elemente in das dramatische Geschehen integrieren, psychologische Studien der NS-Führungsriege versuchen oder historische Sachverhalte fiktional überformen. Diese narrativen Mittel entlarven nicht nur den Wunsch nach einer ‚authentischen‘, mimetischen Darstellung als Fiktion, sondern haben zudem eine geänderte filmische Ästhetik zur Folge, die als Plädoyer für künstlerische Freiheit verstanden werden kann.

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Batman am Scheideweg. Der unglückliche Super-Held in Christopher Nolans The Dark Knight Rises

Super-Helden im Film haben es schwer. Nolans Batman ist im dritten Teil der Filmsaga ein vollends ermüdeter, verunglückter Held. Der Film entzaubert in der Tradition des Neo Noir den klassischen Exzeptionalitätsmythos des Helden im Kino. Es bedarf keiner vorbildlichen Ausnahmefiguren mehr, die sich opfern, um die Welt zu retten, so das Fazit dieses schwarzen Heldenmärchens. Der Beitrag untersucht, wie diese negative Heldeninszenierung auf dem dramaturgischen Kurs der Heldenreise gelingt.

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Im Labyrinth der ewigen Stadt. Zu Woody Allens Sommerkomödie To Rome With Love.

Während der Herbst in Deutschland Einzug hält, zaubert Woody Allens To Rome With Love noch einmal die Stimmung einer lauen Sommernacht auf die Leinwand. Die jüngste Komödie des amerikanischen Regisseurs ist leicht, amüsant und ein bisschen verrückt. An die Größe seiner letzten cineastischen Europastreifzüge reicht sie jedoch nicht heran. Das Labyrinth ist Motiv und narrative Strategie zugleich – kein Wunder also, dass sich der Film bisweilen in seiner chaotischen Komik verliert.

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Die Enteignung der Bilder – The Rise of the Dark Knight & The Fall of Cinema

Die ersten Bilder der Rückkehr ins Batman-Universum aus Nolans kinematografischer Feder präfigurieren eine düstere Geschichte der Enteignung. Im atemberaubenden Tempo überschlagen sich die Ereignisse im Frachtraum eines kleinen Flugzeugs. Ein verhüllter Gefangener, von dem gerade noch unter Bedrohung seines Lebens die Wahrheit erpresst wird, bringt kurzerhand das Geschehen in seine Hand und entpuppt sich als der wahre Herr der Lage. Der Bösewicht, auf den die Fans so lange gewartet haben, Bane, kündet von den schlechten Zeiten, die Gotham City zu erwarten hat. Vor der bereits in diesen wenigen Minuten etablierten gewaltigen Soundkulisse muss es auch dem düstersten Gegenspieler, den der Batman-Kosmos aufzubieten hat, geradezu unmöglich werden, dem Mythos um seine ehrfurchtvolle Erscheinung zu erfüllen. Der breite Rücken, die aufgepumpten Muskeln, die eher bescheidenen Narben, die einer verschluckten Krake gleichende Atemmaske, nicht einmal die computergenerierte Stimme des Grauens vermögen heraufzubeschwören, was die Storyline und das Publikum verlangen: Eben ein Mehr als Batman Begins und The Dark Knight, ein spektakulärer Showdown, ein würdevolles kinematografisches Endspiel. Die folgenden epischen 160 Minuten scheinen ihrem Bösewicht eigentümlich zu gleichen: sie haben nichts weiter zu bieten als eine Aneinanderreihung von altbekannten Bildern, deren aufgeblähte Leere nur mehr der Dolby-Digital-Surround-Sound zu kaschieren sucht …

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