Jahresarchiv | 2012


Die Kraft der Bilder. Zu Leistung und Herausforderung der textfreien Bildgeschichte

Bilder sind für den Comic konstitutiv. Tatsächlich vereinen die meisten Comics Bild und Wort; wobei das Wort visuell als Schrift präsentiert wird. Für die in Schrift gesetzte Sprache benutze ich im Folgenden den Begriff „Text“. Text kommt vor z. B. als Unter- oder Beitext, als erklärende, kommentierende Äußerung eines auktorialen Erzählers, als Insert auf bildintegrierten Plakaten, Tafeln, Zeitungsseiten usf., als in Form, Farbe und Positionierung typographisch akzentuierte Lautmalerei, als Füllung von Denk- und Sprechblasen, die konkret vermittelt, was ein Akteur denkt oder sagt. Bild und Text sind wechselseitig aufeinander bezogen, ergänzen sich, können sich gegenseitig erklären, bilden über die reine Addition zweier Mitteilungssysteme hinaus eine synthetische Einheit.

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Die Rhythmen der Comics

Alles, was Dauer hat, enthält Musik – so, wie auch alles, was sichtbar ist, eine graphische Gestaltung hat und alles, was sich bewegt, Tanz beinhaltet. Dauer, ob kurz (in einem Strip von drei oder vier Panels) oder lang (in einer dreihundertseitigen Graphic Novel), macht eine wesentliche Dimension von Comicerzählungen aus, wie von anderen Erzählungen auch. Daher kommt Comics auch ‚Musik‘ zu. Und da sich Comics durch ihre Fähigkeit auszeichnen, Zeit in Raum umzusetzen, bedeutet die rhythmische Skansion der Erzählung notwendigerweise bestimmte Aneignungen des Raums.

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„welche zu lesen wir uns vielleicht mehr befleißigen sollten“ – Zur Ästhetik des Sagbaren und Unsagbaren in Lichtenbergs Hogarth-Kommentaren

Georg Christoph Lichtenbergs umfangreiche Kommentare zu William Hogarths Bilderfolgen bieten nicht nur ein unvermindert aktuelles Lesevergnügen, das auf eine erhebliche kontemporäre Resonanz zurückverweist. Ihre Lektüre kann wesentlich dazu beitragen, die kulturelle und mediale Stelle zu rekonstruieren, die diese Kupferstiche im ausgehenden 18. Jahrhundert markieren.

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„Je regarde, je flaire, je palpe“– Die Passionen des Realen im Kontroversen Kino

Weggeschaut, gezittert, gezuckt, geweint, erstarrt, geschämt, geschockt? Aber auch berührt, gerührt, betroffen von Hässlichkeit und Schönheit zugleich, von intellektueller Tiefe und ästhetischer Überwältigung? Extreme der Gefühle, Extreme der Wahrnehmung, Extreme des Verstandes prägen seit jeher Kunst, die länger lebt als ihr zeitgenössischer Diskurs, die beständig ist, jenseits von Trends und Hitlisten. Kennzeichnend für solche Art von Kunst war seit jeher die Überschreitung. Speziell im Bereich des Films, einem relativ jungen Medium, erweisen sich bis heute jene Werke als überdauernd, die Seh- und Denkgewohnheiten überschreiten …

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Das Verschwinden der Spur

Was eine Spur ist, erscheint offensichtlich. Nämlich die Hinterlassenschaft von etwas, das nicht gegenwärtig ist. Zum Beispiel die Fährte eines Hasen oder der Fingerabdruck eines Verbrechers. Eine Spur ist also etwas, das nur darauf wartet gelesen zu werden. Der vorliegende Essay problematisiert die Begriffe der Spur und des Spurenlesens in diesem lebensweltlichen Verständnis. Vor dem Hintergrund zeichen- und medientheoretischer Fragestellungen erweist sich der Begriff der Spur als ungleich komplexer und faszinierender – auch wenn dabei möglicherweise nicht nur Hasen und Verbrecher verschwinden, sondern auch die Spuren selbst.

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Die mit dem Wulff tanzt. Zur medialen Selbstinszenierung einer kurzzeitigen First Lady

Der Rücktritt des Bundespräsidenten Wulff lenkte einmal mehr den Fokus auf die Frau an seiner Seite. Bettina Wulff war von Anfang an elementarer Bestandteil der medialen Selbstinszenierung ihres Mannes. Dabei schaffte es Frau Wulff zwar in die Boulevardblätter, nicht jedoch in die Herzen der Menschen. Dieser Beitrag geht der Frage nach, warum die First Lady an der Zitathaftigkeit ihrer Rolle scheiterte.

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Das Leben, ein Spiel. Deutschland hat einen neuen Box Slam Meister

Am Samstag, den 28.1.2012, fand in der Münchener Muffathalle in halbweltlicher Atmosphäre die Deutsche Meisterschaft im Box Poetry Slam statt. Zwar schied der dort vertretene Münchener Lokalprominente Bumillo dieses Mal bereits im Halbfinale aus. Aber auch so hat der Slam eine kleine Nachlese verdient. Ich beginne in der U-Bahn, nach einer Slam-Veranstaltung, die etwa zwei Wochen vor dem Box Slam stattgefunden hat. Im Anschluss gebe ich in dekonstruktiver Terminologie einige literaturwissenschaftliche Bestimmungsversuche des Genres Poetry Slam, um diese schließlich anhand einiger medial gestützter Erinnerungen an den Box Slam 2012 zu plausibilisieren. Im Ansatz dekonstruktiv, ist dieser Beitrag in der Durchführung eine Verneigung vor dem besprochenen Genre sowie seinen Autoren und Performern.

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Vom Versagen der Gadgets und dem Gelingen der Punchlines: Brad Birds Agententhriller Mission Impossible – Phantom Protokoll (2011)

Agentenfilme haben ein starres Schema und eignen sich daher gut für Parodien. „Mission Impossible – Ghost protocoll“ (so der amerikanische Orginaltitel, 2011), der vierte Teil der Reihe, schlägt ein neues Kapitel des Genres auf. Teamgeist statt Einzelkämpfertum, Tücke des Objekts statt Krieg der Gadgets, retadierender Situationswitz statt beschleunigte Action: So lautet das Rezept für Brad Birds Film. Der Beitrag untersucht mit Blick auf den Plot und die Motivik, wie diese Mission einer Erneuerung des Spionagefilmgenres gelingt.

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Was man Umberto Eco in einem bayerischen Taxi unbedingt einmal fragen sollte. Dem großen italienischen Ironiker zum 80.

Mit meinem Beitrag möchte ich eine These Umberto Ecos ganz entschieden zurückweisen, die er in einer diesbezüglich einschlägigen kulturtheoretischen Glosse über Taxifahrer geäußert hat. Man erkennt letztere eben nicht allerorten daran, dass sie ‚immer diejenigen sind, die nie herausgeben können‘. Das Gegenteil ist der Fall! Ecos Fehleinschätzung dürfte, und auch das möchte ich mit dem vorliegenden Text zeigen, auf eine allzu restriktive Verwendung des Herausgabe-Begriffs zurückzuführen sein. – Ich beabsichtige mit meinen Ausführungen keineswegs, irgendwelche realen Personen zu verspotten oder ihnen sonst irgendwie zu nahe zu treten, weder bayerischen Staatsbürgern, bayerischen Taxifahrern noch Umberto Eco! Gratulieren möchte ich letzterem allerdings schon, gerade zu seinem 80. Nicht jeder seiner Geburtstage ist schließlich so unendlich rund wie dieser.

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