Sämtliche Beiträge | 1997-2023


Von Kino-Wochenschau bis TV-Serien: Gerhard Trede und der ‚ambient‘ Sound der 1950er und 1960er-Jahre

Die musikalische Begleitung von Film und Fernsehen hat Ähnlichkeiten zur Musik in öffentlichen Räumen. In beiden Fällen wird Musik genutzt, um Emotionen zu lenken, Atmosphäre zu schaffen und ein Gesamterlebnis zu bieten. Die Gestaltung von Hintergrundmusik begann bereits mit Erik Satie im späten 19. Jahrhundert und setzt sich bis heute fort mit Komponisten wie Brian Eno. Die Bezeichnungen für diese Bandbreite von Musik lauten ‚Production Music‘, ‚Library Music‘, ‚Ambient Music‘ oder ‚Muzak‘. Der Hamburger Gerhard Trede etablierte sich in den 1950er-Jahren vor allem als Hauskomponist der Deutschen Wochenschau GmbH. Seine Musik prägte nicht nur Kinofilm und Fernsehen in Westdeutschland, sondern auch das musikalische Unbewusste eines internationalen Publikums, und wirkt bis heute nach: nicht zuletzt in der digitalen Vermarktung oder durch Neuarrangements seiner Stücke.

Dieser Artikel erschien am 17.01.2024 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2024010915514218188587

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/21645

20240117Lehnert

Das Böse, vor dem Gesetz. Konfigurationen der Gewalt in Stanley Kubricks A Clockwork Orange (1971)

A Clockwork Orange gilt als Kubricks umstrittenster und verstörendster Film. Mit der Darstellung der Gewalt-Therapierung und ihrer postexperimentellen Nachwirkung unterläuft der Film am laufenden Band unsere vertrauten Unterscheidungen von Gut und Böse. Der Beitrag untersucht an einem szenischen Beispiel (in der Gefängnisbibliothek), was die sozialen, ethischen und technischen Masterminds mit dem ultragewalttätigen Protagonisten, mit dessen Opfern, mit seinen vermeintlichen Helfern und mit seinen Zuschauern machen. Das läuft auf die Frage hinaus: Wird die Freiheit des Willens von Gott, von den Genen, aus der Gesellschaft oder aus dem Gehirn heraus gesteuert – oder wird sie an eine künstliche Intelligenz delegiert, die offenbar böse ist?

Dieser Artikel erschien am 07.11.2023in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023102612281457823649

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/20115

20231107braun

Franz Kafkas und Ernst Jüngers Käfer – Käfermysterium und existentielle Wahrnehmung

Dass Ernst Jünger, von seinen frühen Tagen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs an, ein genauer Beobachter von Insekten war, der sich später zu einem veritablen Entomologen entwickelte und seine subtilen Jagden immer mehr verfeinerte, ist bekannt. Damit scheint Kafkas Käfer aus seiner Novelle Die Verwandlung zunächst nichts zu tun zu haben. Auffällig ist jedoch, dass auch Kafka das Ungeziefer genau beobachtet und beschreibt, genauer jedenfalls, als es nötig gewesen wäre, um eine literarische Metapher für problematische Familienverhältnisse zu inszenieren. In meinem Essay will ich zeigen, dass sowohl für Jünger als auch für Kafka der Käfer eine existenzielle Bedeutung gewinnt, die sich in beiden Fällen auf die Metamorphose des Käfers stützt, aber dann in entgegengesetzte Ausprägungen führt. In der Metamorphose des Käfers wird für Jünger die eigene Entwicklung in die und über die bürgerliche Gesellschaft hinaus sinnfällig, während in Kafkas Novelle die letztlich tödliche Verwandlung Gregor Samsas die Unfähigkeit zur Verwandlung und Entwicklung ihres Autors anzeigt.

Dieser Artikel erschien am 31.10.2023 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023102412271295487125

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/20114

20231031graf

Die Mauer, der Kalte Krieg und unbotmäßige Agenten im Film (Der Spion, der aus der Kälte kam, 1965, Bridge of Spies und Deutschland 83, 2015)

Die Mauer, die Deutschland von 1961 bis 1989 teilte, ist ein Geschichtszeichen des Kalten Krieges. Im Agentenfilm ist diese Teilung oft genug für die Plotline verantworlich. Der vorliegende Beitrag untersucht im Vergleich der Agentenfilme Der Spion, der aus der Kälte kam (Martin Ritt, 1965) und Bridge of Spies (Steven Spielberg, 2015) sowie der ersten Staffel der Fernsehserie Deutschland 83 (Anna Winger und Jörg Winger, 2015), wie die Storyline beiderseits der Mauer entwickelt wird und wie die filmischen Agenten in Abweichung von ihrer Mission die Logik des Kalten Krieges durchkreuzen. Dadurch gerät der Spion im geteilten Deutschland, der als „mythologischer Prototyp“ (Bernhard Greiner) des Kalten Krieges in den Kriminalfilmen der 1960er und 1970er Jahre reüssierte, auf je unterschiedliche Weise zwischen die Fronten. Gerade in der Normabweichung (dem Lapsus) und durch Verhandlung (der Causa), nicht durch Lösen des Casus (des Kriminalfalls), entwickeln sie einen kulturellen Code, der die Mauer als Wahrzeichen des Kalten Krieges überwindet.

Dieser Artikel erschien am 24.10.2023in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023101623521476608052

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/20088

20231024braun

Merging of Realities: The ‘Non’-America in Roman Polanski’s The Ghost Writer.

Most of the plot of the 2010 film The Ghost Writer by Roman Polanski takes place on the island of Martha’s Vineyard, Massachusetts. However, the film was largely shot on the German islands of Sylt and Usedom, respectively. By comparing the film with the actual locations, this essay aims to show how Polanski constructs a ‘Non’-America that is simply imagined through the addition, rearrangement, or removal of various cultural artifacts.

Dieser Artikel erschien am 13.09.2023 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023090514073628960083

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/20024

20230913Stoppe

„Talking to you scares me“. Zur dokumentarischen Inszenierung von Natürlichkeit und verschwörungstheoretischem Denken in Pandamned (2022)

Der mediale Raum der Verschwörungsgläubigen hat durch die Corona-Pandemie an Aufmerksamkeit gewonnen. Ein nicht zu vernachlässigender Teil dieses Raumes sind dabei Dokumentationen, die die Validität der eigenen Überzeugungen bestätigen sollen. An der beispielhaften Analyse einer dieser Dokus, Pandamned aus dem Jahr 2022, soll in diesem Beitrag gezeigt werden, wie der Verschwörungsglaube von der Idee einer reinen Natürlichkeit informiert und diese über die Techniken des dokumentarischen Filmstils konstruiert wird. Unter Bezug auf Donna Haraway wird aufgezeigt, inwiefern sich diese Vereinnahmung des Naturbegriffs im Sinne der Reinheit als unhaltbar erweist.

Dieser Artikel erschien am 02.08.2023 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023072612392963704119

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/12345

20230802Fromm

Loblied auf die Melancholie

Der Text singt – mit vielen literarischen Beispielen aus einer langen kulturellen Tradition der Melancholie – ein Loblied auf die Melancholie, indem sie von der Depression abgehoben, vor allem aber, indem sie gegen das positiven Denken und den maßlosen Optimismus ins Feld geführt wird. Die positiven Effekte der Melancholie, der Zweifel, die Nachdenklichkeit, wirken gerade in Krisenzeiten. Doch Vorsicht und Kritik ist dort geboten, die sie ihre Sensibilität verliert, zur Pose erstarrt und wo sie überschwänglich gefeiert wird.

Dieser Artikel erschien am 03.07.2023 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023062812150763346390

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/19715

20230703Scheffer

Wiederholung, Variation und Selektion: Serienevolution und Paratext am Beispiel von Ms. Marvel

Die aktive Partizipation der Rezipierenden an der Produktion populärer Kultur ist oft behauptet, aber seltener nachgewiesen worden. Der vorliegende Beitrag unternimmt am Beispiel der Comic-Serie Ms. Marvel den Versuch, den seriellen Paratext als Ort der ‚participatory culture‘ zu bestimmen, der für das Verständnis der Serienfort-setzungen entscheidend ist: Ms. Marvel wurde seit ihrer Einführung 1977 mehrfach eingestellt und unter anderen Bedingungen und Protagonistinnen auf dem Markt etabliert. Der Aufsatz wird das als einen evolutionären Prozess von Wiederholung, Variation und Selektion beschreiben, der in Form von Aushandlungen mit den Lesenden stattfindet und sich sowohl im Narrativ als auch im Paratext entfaltet.

Dieser Artikel erschien am 24.03.23 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023032011294575618614

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/19380

20230324haas

Vom Ende der Parabel. Rian Johnons fun murder mysteries Knives Out (2019) und Glass Onion (2022)

Gravity’s Rainbow ist ein vielgelobter, aber wenig gelesener Roman im Western Canon. Der 1973 erschienene Roman von Thomas Pynchon wird in Rian Johnsons Detektivfilmen Knives Out (2019) und Glass Onion (2022) im wörtlichen und visuellen Zitat gefeiert. Er ist nicht nur ein Teaser der Ermittlungsstrategie des Detektivs, die darin besteht, die Fakten zu observieren, ohne Vorurteile durch Herz und Verstand. Die Enden der Parabel – das ist der deutsche Titel, den Elfriede Jelinek der Übersetzung des Romans 1981 gegeben hat – bestimmt auch die Suspense-Struktur dieser fun murder mysteries. Die Lösung des Falls aber entwickelt sich vom Rand des Geschehens her: von den unscheinbaren Dingen und den kleinen Hinweisen, die die Assistentin des armchair detectives gibt. Die Rolle dieser im doppelten Sinne parabolischen Details, die in entscheidendem Maße den jeweiligen Mörder belasten, und der innovative Genrebeitrag dieser Schnüffler-Filme stehen im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen.

Dieser Artikel erschien am 08.03.2023 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2023030810240620436726

DOI: https://doi.org/10.19359/mediarep/20538

20230308braun

„Stell ́ dir vor, es ist Krieg, und keiner weiß, was er anziehen soll.“ Oder eine kleine Geschichte der Uniform anhand der Barbourjacke

Die Barbourjacke ist ein einzigartiges Kleidungsstück. An ihr lassen sich realhistorische Übergänge von Kleiderordnungen in die Mode ablesen. Darüber hinaus kann sie auch die entgegengesetzte Richtung von Mode zurück zur Kleiderordnung – sowie zum Spezialfall Uniform – sichtbar machen. Christian Kracht nutzt die Barbourjacke als Motiv in seinem Roman Faserland und zeigt ihr Potential zur Remilitariserung der einstigen Uniform inklusive ihrer Träger*innen.

Dieser Artikel erschien am 16.09.2022 in der Zeitschrift Medienobservationen.
Er ist durch die DNB archiviert. urn:nbn:de:101:1-2022091913331091176524

DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/18958

20220916lebe