Allzumenschliche Verbrechen. Zur Anthropologie des Kriminalgenres

Der Deutsche scheint eine Schwäche für Krimis zu haben. Mit der Erstausstrahlung einer Tatort-Folge im Jahr 1970 begann eine bis in die Gegenwart andauernde Erfolgsgeschichte. Etwa 9 Millionen Menschen schalten jeden Sonntag Abend den Fernseher an: Tatort-Zeit. Der weniger kriminalaffine Zuschauer muss sich dieser Vorliebe beugen. Denn auch wer sich von Montag bis Samstag in der Hauptsendezeit vor allem durch das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender zappt, scheint oft nur zwei Möglichkeiten zu haben: sich auf einen der Fälle einzulassen oder zum guten alten Buch zu greifen. Aber auch der krimischeue Leser sieht sich zunehmend in Bedrängnis: In den Buchhandlungenerweitert die Kriminalliteratur ihr Territorium, begründet Festivals, bevölkert Lesungen – ja, es entsteht häufig der Eindruck, als dominiere sie den Buchmarkt. Beruhtder Erfolg dieser Gattung ausschließlich auf unserer Faszination für das Abgründige und Rätselhafte?

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