Kino


Das entrechtete Subjekt: Thomas Vinterbergs Die Jagd (2012) und die Pathologien (s)eines ‘Dorffilms’

Der Film Die Jagd thematisiert anhand eines fälschlich der Pädophilie verdächtigten Kindergärtners sowohl die restriktiven Abwehrmechanismen einer Dorfgemeinschaft als auch die Irrationalität der Beteiligten im Umgang mit einem unbestätigten Verdachtsmoment. Dieser Beitrag diskutiert diese Thematik im Kontext der Semantik des ,Dorffilms‘, der sich als Genre der Verhandlung gesellschaftlicher Konstitutions- und Stabilisationsprozesse zwischen sozialer Inklusion und Exklusion beschreiben lässt. Das Skandalon Pädophilie fungiert als soziales Ausschlusskriterium, das selbst durch staatliche Institutionen oder einen vordergründig christlich motivierten Akt der Vergebung nicht final überwunden werden kann. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Vinterbergs Film, wie von der Kritik gelobt, tatsächlich als realistische Auseinandersetzung mit der Thematik der Pädophilie gelten kann?

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Girls deconstructed, Part I: Harmony Korines Spring Breakers (2012)

Harmony Korine schickt mit Spring Breakers eine Armada von Baby Pop Guerillas in ein orgiastisches, von magisch-beschwörenden Refrains umzüngeltes Farbgewitter und macht es seinem Publikum weder leicht in seiner Interpretation von Godards Diktum ,Alles, was es für einen Film braucht, ist ein Revolver und ein Mädchen‘ widerstandslos aufzugehen noch diese als oberflächlich abzutun. Denn die Oberfläche wird zur Herberge ihrer eigenen Dekonstruktion, indem sie Plot und Dramaturgie an die schwellenden Ränder eines kreisenden, schweifenden und oszillierenden Remix verbannt.

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„Maybe your movie freaked mind lost its reality button.” – Scream re-visited

Nachdem Wes Craven mit dem vierten Ableger seines Scream-Franchises 2011 trotz Starbesetzung und überdurchschnittlicher Genrekost an den Kinokassen glorreich gescheitert ist, kann der postmoderne (Horror-)Film eigentlich guten Gewissens endgültig als Phänomen der 90er Jahre in die Mottenkiste gepackt werden. Doch zuvor soll an dieser Stelle noch einmal der erste Teil der Serie als Voraussetzung der aktuellen Entwicklungen des Horrorgenres diskutiert werden.

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Filmisch wohnen – bei Yasujiro Ozu und Mikio Naruse

Der Essay versucht, Gemeinsamkeiten des Kulturphänomens Wohnen und des Mediums Film zu ergründen. Dies geschieht anhand einer bedeutenden Gruppe klassischer japanischer Filme: der von den Regisseuren Ozu und Naruse vor allem in den 1950er Jahren geschaffenen sogenannten shomin-geki (Familien- und Alltagsgeschichten). Sie werden zunächst als untergründig dem Wohnen gewidmete Filme interpretiert; sodann wird herausgearbeitet, dass in diesem Wohnen eine Reflexion der Filmrezeption überhaupt zu erkennen ist.

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Die NS-Zeit im ‚metahistoriographischen‘ Film der Gegenwart

‚Metahistoriographische‘ Filme wie La vita è bella, Der Untergang und Inglourious Basterds verzichten auf eine schematisierende Perspektive auf die Zeit des deutschen Nationalsozialismus. Stattdessen nehmen sie sich die Lizenz zu einem freien Umgang mit dem belasteten Thema, indem sie komische Elemente in das dramatische Geschehen integrieren, psychologische Studien der NS-Führungsriege versuchen oder historische Sachverhalte fiktional überformen. Diese narrativen Mittel entlarven nicht nur den Wunsch nach einer ‚authentischen‘, mimetischen Darstellung als Fiktion, sondern haben zudem eine geänderte filmische Ästhetik zur Folge, die als Plädoyer für künstlerische Freiheit verstanden werden kann.

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Batman am Scheideweg. Der unglückliche Super-Held in Christopher Nolans The Dark Knight Rises

Super-Helden im Film haben es schwer. Nolans Batman ist im dritten Teil der Filmsaga ein vollends ermüdeter, verunglückter Held. Der Film entzaubert in der Tradition des Neo Noir den klassischen Exzeptionalitätsmythos des Helden im Kino. Es bedarf keiner vorbildlichen Ausnahmefiguren mehr, die sich opfern, um die Welt zu retten, so das Fazit dieses schwarzen Heldenmärchens. Der Beitrag untersucht, wie diese negative Heldeninszenierung auf dem dramaturgischen Kurs der Heldenreise gelingt.

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Die Enteignung der Bilder – The Rise of the Dark Knight & The Fall of Cinema

Die ersten Bilder der Rückkehr ins Batman-Universum aus Nolans kinematografischer Feder präfigurieren eine düstere Geschichte der Enteignung. Im atemberaubenden Tempo überschlagen sich die Ereignisse im Frachtraum eines kleinen Flugzeugs. Ein verhüllter Gefangener, von dem gerade noch unter Bedrohung seines Lebens die Wahrheit erpresst wird, bringt kurzerhand das Geschehen in seine Hand und entpuppt sich als der wahre Herr der Lage. Der Bösewicht, auf den die Fans so lange gewartet haben, Bane, kündet von den schlechten Zeiten, die Gotham City zu erwarten hat. Vor der bereits in diesen wenigen Minuten etablierten gewaltigen Soundkulisse muss es auch dem düstersten Gegenspieler, den der Batman-Kosmos aufzubieten hat, geradezu unmöglich werden, dem Mythos um seine ehrfurchtvolle Erscheinung zu erfüllen. Der breite Rücken, die aufgepumpten Muskeln, die eher bescheidenen Narben, die einer verschluckten Krake gleichende Atemmaske, nicht einmal die computergenerierte Stimme des Grauens vermögen heraufzubeschwören, was die Storyline und das Publikum verlangen: Eben ein Mehr als Batman Begins und The Dark Knight, ein spektakulärer Showdown, ein würdevolles kinematografisches Endspiel. Die folgenden epischen 160 Minuten scheinen ihrem Bösewicht eigentümlich zu gleichen: sie haben nichts weiter zu bieten als eine Aneinanderreihung von altbekannten Bildern, deren aufgeblähte Leere nur mehr der Dolby-Digital-Surround-Sound zu kaschieren sucht …

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Zur Symbolik der Maske und Genderpolitik des Bösen in Christopher Nolans The Dark Knight Rises

Vorsicht, diese Rezension beginnt mit einem Spoiler: Am Ende von The Dark Knight Rises entpuppt sich der Bösewicht als Frau. Dass dies den Zuschauer noch überrascht, ist Indiz für lang etablierte Sehgewohnheiten. Zur rezeptionsästhetischen Norm zählt immer noch die klassische geschlechtsspezifische Konnotation des Weiblichen mit dem Guten. The Dark Knight Rises macht sich dies gekonnt zunutze und lädt den Zuschauer zum attraktiven Verwirrspiel der Geschlechter ein.

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Der Umgang mit dem Anderen in District 9. Eine politikwissenschaftliche Betrachtung von Science Fiction

Science Fiction als Film-Genre hinterfragt unsere aktuelle Welt und zeigt neue Perspektiven auf, die nicht nur für Fans, sondern ebenso für die wissenschaftliche Analyse interessant sind. Auch für die Politikwissenschaft kann eine Betrachtung von Science Fiction-Filmen eine Bereicherung darstellen, wobei das Thema des „Boundary- oder Border-Managements“ ein zentraler Betrachtungspunkt ist. Wegen seines gewollt realitätsnahen Settings und seines originär politischen Inhalts eignet sich der Film District 9 besonders für eine beispielhafte populärwissenschaftliche Betrachtung.

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