Jahresarchiv | 2008


Freak-Sensation-Star. Zu Mythos, Determiniertheit und Aura des John Merrick in David Lynchs The Elephant Man

Joseph Carey Merrick alias John Merrick galt bereits im Viktorianischen Zeitalter als Musterbeispiel des gesellschaftlichen Außenseiters, doch selbst im Werk von David Lynch, wo die Darstellung des Freaks gleichsam zum inhaltlichen Filminventar gehört, bedeutet er eine Ausnahmeerscheinung. Der folgende Beitrag widmet sich der Frage, warum es – gemäß der Lynch’schen Inszenierung – für den Elefantenmenschen kein Entrinnen aus der Rolle des Objektes der Schaulust gibt und welchen potentiellen Ausweg die Kunst dabei bietet.

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Der Bergfilm der 20er und 30er Jahre

Anhand der Bergfilme der 20er und 30er Jahre lässt sich die Geschichte eines gesonderten Filmgenres nachvollziehen. Bis heute ist die Rezeption dieser Filme durch unterschiedlichste Interpretationsansätze und kontroverse Diskussionen gekennzeichnet. Die eigentümliche Ästhetik der Darstellung von Hochgebirge, Mensch und Natur kann auf einen historischen Prozess der europäischen Alpenwahrnehmung zurückgeführt werden. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über wesentliche ideengeschichtliche Hintergründe und wichtige Forschungspositionen zu diesem Genre gegeben werden. Zudem wird erläutert, welche Inszenierungsstrategien in den Bergfilmen zum Einsatz kommen und wie sich die so gewonnene Ästhetik in die Mediengeschichte der Alpen einfügt.

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Mediale Zukunft – Die Erreichbarkeit des (Anti-)Utopischen

Während die Erforschung der politischen und literarischen Utopien und Anti-Utopien im wissenschaftlichen Diskurs nach wie vor eine große Rolle spielt, wurde die Analyse von utopischen und anti-utopischen Aspekten im Medium Film bislang vernachlässigt. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass die Existenz von genuinen filmischen (Anti-)Utopien bezweifelt werden kann. Seit der Verlagerung der literarischen (Anti-)Utopien vom Raum in die Zeit ist die Darstellung von Gesellschaftsmodellen zumeist auf die Zukunft bezogen; und die Zukunft wird oft mit den Mitteln der Science-Fiction ausgestaltet. Im Medium Film hat sich Science-Fiction als Genre etabliert und es stellt sich die Frage, ob über diese medialen Repräsentationen von Zukunft utopische oder antiutopische Gesellschaftsentwürfe transportiert werden.

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Grand Imagier oder Kamera? Zur Erzählinstanz im filmischen Kommunikationssystem

Gibt es im Film – wie in narrativen Texten der Literatur – einen Erzähler als fiktive und das Bild „produzierende“ Instanz oder sollte – wie beim Theater – von einem (idealen) Autor ausgegangen werden, der die Abbildungen arrangiert? Obwohl diese und ähnliche Fragen grundlegend für jede filmwissenschaftliche Erzähltheorie sind, haben sie bislang nur wenig Beachtung gefunden und wurden bis heute nicht zufrieden stellend beantwortet.
Der folgende Beitrag bietet eine Momentaufnahme der aktuellen Debatte und will im Anschluss an Lotman eine filmische Erzählinstanz plausibilisieren.

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Mehrdimensionalität künstlerischer Selbstreflexivität in Wenders Hammett

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit Wim Wenders Film Hammett, wobei die im Film aufgeworfene Frage der Überlappung zwischen fiktiver und realer Identität des amerikanischen Schriftstellers und PinkertonDetektivs Hammett fokussiert wird. Thematisiert wird die Künstlerproblematik in einem „Kunstwerk“ bzw. Kunstwerken. Denn Wim Wenders Filmkunstwerk Hammett handelt von einem Schriftsteller, der sich in einem künstlerischen Produktionsprozess befindet. Müsste man dieses Phänomen mit einem Schlagwort zusammenfassen, dann könnte man von einer im Film und Hammetts Literatur auftauchenden und thematisierten „Selbstreflexivität der Kunst“ sprechen. Ein wesentliches Thema im Wenderschen Schaffen, die Selbstreflexivität der Kunst, wird also im Film Hammett in den Mittelpunkt gerückt. In diesem Punkt ist ein gravierender Unterschied zu den meisten anderen Filmen von Wim Wenders festzustellen: wird dort nur über das Medium des Films selbst reflektiert, so wird in Hammett der Produktionsprozess der erzählenden Kunst herausgestellt. Zu diesem Thema gehören auch im filmischen Medium die Aspekte der Inter- und Intratextualität. Im Zuge des Booms kulturwissenschaftlicher Ansätze käme heute ggf. eine andere Terminologie zur Anwendung, man müsste von inner- und außerliterarischen bzw. -künstlerischen Kontexten zu Film und Texten sprechen.

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Individualisierung des Leidens: Motive und Stoffe der Psychiatrie im Film seit 1980

Noch in den 1980ern waren filmische Darstellungen der psychischen Krankheit und der psychiatrischen Kliniken dominant politisch gefärbt. Psychiatrien galten dabei als Orte der Kontrolle, Repression und Ausgrenzung, All dieses ist in den letzten beiden Dekaden zurückgetreten gegen eine Gesellschaftsauffassung, in der Psychiatrie als medizinische Notfallversorgung bestehen bleibt, in der das Management der Krise aber dem einzelnen und seinem näheren Umfeld überlassen bleibt. Die großen gesellschaftlichen Tendenzen der Individualisierung, Differenzierung und Entsolidarisierung finden sich so auch im Horizont der Psychiatriethemen. Die Einheit des Normalen wird durch eine Vielheit der Lebensorientierungen und Lebensweisen abgelöst. Die psychische Krise wird so gelegentlich zum Ausdruck einer allgemeineren Sinnsuche, der Umgang mit Verlust, Trauer, Demütigung und ähnlichem wird zu einem allgemeineren existentiellen Anliegen. Die Psychiatrie als Institution wird dabei deutlich entlastet.

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Das unsichtbare Raubtier und das unfaßbare Ferkel. Sammelrezension zu einem Kinderbuch, einer Strafanzeige und einem Indizierungsantrag

Was Kinderbücher in Deutschland dürfen: Wie konstituieren Strafrecht und Bundesprüfstelle den Gegenstand, über den sie entscheiden? Ein kurzer Blick auf den Diskurs textueller Kontrolle, seine sekundäre Literaturwissenschaft, und die medialen Besonderheiten, vermittels derer Michael Schmidt-Salomons und Helge Nynckes „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ erfolgreich darin eingreift.

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Metamorphosis and Identity: Psychoanalytical Notes to Miyazaki’s Spirited Away and Howl’s Moving Castle

Far greater liberties can be taken by animation than by live-action films The possibilities of the narratives are enriched by unrestricted visual images that offer unique means of exploring and portraying states of desire, conscious and unconscious realities, as well as different layers of relationships and experiences. This leads to a fusion of the traditional and modern roles of representation. Anime from acclaimed Japanese director Hayao Miyazaki, particularly the Academy Award winner Spirited Away (Sen to Chihiro no Kamikakushi, 2003) and Oscar-nominated Howl’s Moving Castle (Hauru no Ugoku Shiro, 2004), which in recent years have acquired a global cult status, offer new perspectives on human subjectivity. Through their playful use of the motif of transformation, striking similarities in the development of the plots and ambiguous dénouements, the movies problematize the fundamental question of identity, representing a close illustration of some of the core psychoanalytical concepts found in Lacanian theory.