Sämtliche Beiträge | 1997-2023


Electronic Publishing: Dimensionen und Konsequenzen eines Begriffs

Der neumediale Zug fährt seit geraumer Zeit. Es ist ein Hochgeschwindigkeitszug – sagen manche. Und was geschieht mit dem Buch, Inbegriff linearer Standhaftigkeit? Die Produzenten des Buchs sind unsicher. Sie verharren zum Teil, sich gegenseitig aufmunternd und jene sinnlich-realen Vorzüge des alten Materialobjekts hervorhebend, die heute und künftig das Buch mit Einband und dem Duft der Druckerschwärze unersetzbar machten. Aber, sie wollen auch nichts verpassen, fahren mit und geben gar bisweilen die Richtung vor. Das Potenzial der Digitalisierung scheint gewaltig. In vieler Munde ist dabei der Begriff Electronic Publishing. Er, nicht anders die deutsche Übertragung “Elektronisches Publizieren”, hat das Problem, relativ unterschiedliche Phänomene zu bezeichnen, die zwar aus buchtheoretischer Sicht durchaus gemeinsame Bezugspunkte haben, zunächst aber, und vollends in der Praxis, zu differenzieren sind.
Der Text untersucht Formen des electronic publishing und die Konsequenzen für das Buch und den Buchmarkt. Er kommt zu dem prognostischen Ergebnis, dass diese Publikationsform das Buch keineswegs verdrängen wird, sondern vielmehr sein Überleben sichert.

Massenmedien – die post-moderne Einlösung des Romantischen Programms einer Neuen Mythologie

Als ideenschneller Vordenker der Frühromantik entwarf Friedrich Schlegel 1800, im Jahr des Scheiterns der Programmzeitschrift für romantische Ironie mit dem Namen Athenäum, die Vorstellung einer ‘Neuen Mythologie’. Dieses Programm einer Neuen Mythologie sollte im Ausgang des turbulenten Jahrzehnts der 1790er die Misere moderner Poesie reparieren. Im Rückblick aus den 1990ern erkennen wir, dass Schlegel in seinen Überlegungen zu Moderner Poesie und Neuer Mythologie tatsächlich über das Verhältnis zwischen der situation post/moderne und der Realität der Massenmedien nachdachte. (Handelt es sich dabei um die überraschenden Einsichten des Propheten Schlegel, der sich hier als vorwärtsgewandter Historiker betätigt, oder liegt vielmehr ein Fall von preadaptive advances der kulturellen Semantik vor, die erst im Übergang aus dem Speicher- ins Funktionsgedächtnis retroaktiv zur Prognostik werden?)

Der Mensch, geschält und entkernt. Ein Besuch der Münchener „Körperwelten“-Ausstellung.

Seit 1996 tourt der Anatomie-Professor Gunther von Hagens unter dem Motto “Die Faszination des Echten” mit seinen präparierten Körperspendern um die Welt, mit überwältigendem Erfolg: Über elf Millionen Besucher sahen bislang die Ausstellung “Körperwelten”; in München, der vorerst letzten Station, sind es bislang 500 000. Der Beitrag versucht in einer Mischung aus persönlichen Impressionen, rezeptionspsychologischen Reflexionen und Beobachtungen vor Ort der Attraktion der Ausstellung näher zu kommen.

Nachruf auf Niklas Luhmann

Der Tod von Niklas Luhmann dient als Anlaß, die eigene Betroffenheit und die Entwicklung der Systemtheorie spannungsreich aufeinander zu beziehen. Das Werk dieses exzeptionellen Denkers des 20. Jahrhunderts erlaubt nicht nur einen Rückblick auf radikale Tendenzen der Theorieentwicklung wie z.B. die Autoreflexivierung der Theorie selbst, sondern eröffnet auch prognostische Ausblicke auf die weitere Entwicklung einer scientific community unter systemtheoretischen Vorzeichen für das 21. Jahrhundert.

Fraktale als Ideengeber für Kreativität

Mit der Chaostheorie und Fraktalen haben sich vollkommen neue Sichtweisen auf das Verständnis unseres Universums ergeben. Es wird möglich, die komplizierten Vorgänge und auch die Schönheit der Natur darzustellen und sogar menschliche Kreativität in vielen Medienbereichen zu simulieren. Fraktale Musik ist ein neues Gebiet der modernen Musik, das diese Eigenschaften mit den musischen Aspekten verbindet. Da einführende Veröffentlichungen (auch im Netz) eher Mangelware sind, soll hier ein verständlicher Überblick über die Grundlagen der Chaostheorie gegeben werden (Punkt 1) und dann anhand konkreter Beispiele eine Verbindung zur Musik gezogen werden (Punkt 2).

Bilder beim Wort genommen: Fotografie als Paratext

Die „Lesbarkeit der Welt“ (Hans Blumenberg) geht über Texte (im engeren Sinne) hinaus, und deshalb wird „Lesbarkeit“ auch bleiben, ob man sie im Zuge erheblicher medialer Veränderungen dann noch so nennen mag oder nicht. Bilder überschneiden sich mit Texten: Man muss sich ein Bild auch „erzählen“ können, um es überhaupt sehen zu können, um es zu behalten, um es zu „verstehen“. Nicht nur die demonstrativ mit Titeln und Kurztexten gestalteten Bilder in einer Ausstellung oder in einem Buch, sondern grundsätzlich alle Bilder verwirklichen sich stets im Bereich ineinander verschleifender Bild- und Text-Wahrnehmungen und Gefühls- und Körper-Wahrnehmungen. Bilder ergeben visuelle „Texte“ und sie ergeben dabei immer auch Sprachtexte und Gefühls“texte“ und Körper“texte“: Es handelt sich also durchaus nicht um (falsche) Metaphern oder (pure) Äquivokationen, wenn etwa der Fotograf STAN DENNISTON im Zugriff auf literarische Konzepte auch anlässlich von Fotografie von „fiktiven persönlichen Geschichten“, von „gemeinsamer Autorschaft“ oder von „vorgeschriebener Lesart“ spricht; wenn DUANE MICHALS bekennt: „I am a short story writer. Most other photographers are reporters“ oder wenn JOHN HILLIARD seine Bilder „Readings“ nennt.T

Schlag nach bei Schanze. Ein Lexikon zur Medientheorie und Medienwissenschaft

Helmut Schanze Bemühungen für eine Medienwissenschaft, wie sie sich, bei weitem nicht zum ersten Mal in dem vorliegenden Lexikon ausdrücken, können heute vielleicht noch gar nicht richtig eingeschätzt werden; vielleicht muss man erst die Rezeptionsgeschichte seiner grundlegenden Bücher abwarten. Bereits im Jahre 2001 hat er ein „Handbuch der Mediengeschichte“ im Kröner-Verlag herausgegeben, und ein Jahr später nun dieses „Schwesterwerk“ (S.VIII), dieses Lexikon im Metzler Verlag. Es war im Grunde genommen nur eine Frage der Zeit, bis der Metzler Verlag seine inzwischen stark ausgebaute Reihe von Lexika zu aktuellen kulturwissenschaftlichen Forschungsfeldern auch um das fällige Lexikon zur Medienwissenschaft erweitern würde.

Ankündigen, Versprechen, Verlangen=Machen: Funktionen von Programmverbindungen im Fernsehen

Die Untersuchung der Fernsehkommunikation nicht aus der Perspektive des Werks zu betreiben, sondern vielmehr aus den pragmatisch-alltäglichen Bedingungen, in denen sie stattfindet: Das ist in der Fernsehtheorie schon mehrfach gefordert worden und wohl auch ein Reflex auf den deutlichsten Unterschied zwischen Film und Fernsehen. Für John Ellis z.B. ist die Zerstreutheit und Distanziertheit des Zuschauers das entscheidende Kriterium, das Kino und Fernsehen voneinander unterscheidet und das dazu geführt hat, daß das Fernsehen andere Formen der Repräsentation und der Adressierung ausgebildet hat als der Film. Der Zuschauer, so Ellis, ist im Fernsehen konzeptualisiert als jemand, der zwar den Apparat angeschaltet hat, ihm aber nur geringe Aufmerksamkeit widmet. Darum muß Segment für Segment das Interesse und die Zuwendung des Zuschauers immer wieder neu aktiviert werden

Es gibt im Weltraum keinen Tee

“Per Anhalter durch die Galaxis” – durch diese letztlich auf sechs Bände angewachsene Science Fiction-Trilogie ist der im Mai 2001 verstorbene Douglas Adams zum Kultautor avanciert. Hierzulande etwas weniger bekannt ist, dass die Geschichte um Arthur Dent und Ford Prefect im britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ihren Anfang nahm und schon sehr früh in allen Medien (Radio, Fernsehen, Schallplatte, Computerspiel, der Film ist seit Jahren geplant) vertreten war. Neben dem schwarzen Humor und absonderlichen Gestalten sind Adams’ Werke teilweise auch überraschend weitsichtige Technikvisionen. In Kalifornien, wo sich Adams kurz vor seinem Tod niedergelassen hat, kreisten seine Gedanken zuletzt darum, wie im Internet das demokratische Ideal der griechischen polis wieder aufleben könnte.

Die Peanuts trauern. Nachruf auf Charles M. Schulz, den Schöpfer von Snoopy, Charlie Brown & Co.

Anläßlich des Todes von Charles M. Schulz läßt dieser Essay Charlie Brown und seine Peanuts-Freude noch einmal aus einer philosophischen Perspektive Revue passieren. Charlie Brown erscheint dabei als tragischer Held in der Einsamkeit, der exemplarisch deutlich macht, daß das Leid der Menschen einzig aus dem unerfüllten und erfüllbaren Wunsch resultiert, geliebt zu werden. Und daher werden die Peanuts, das Lebenswerk von Charles M. Schulz, auch als Philosophie eigener Art gewürdigt.