Jahresarchive | 1997-2003

Das originale Publikationsdatum der Beiträge, die vor dem 25.08.2003 erschienen, ist nicht mehr präzise zu eruieren.


“… durchs Lieferantentürli in die Paläste der Literatur” – Robert Walser und der Erfolg

Der Schweizer Schriftsteller Robert Walser gilt jedenfalls bei Experten längst als Klassiker der Moderne. Seine Erfolglosigkeit zu Lebzeiten wird bis heute allerdings als Zeichen von Qualität gewertet. Dürfen wir uns – wieder einmal- genussvoll an einem Dichter schadlos halten, der vielleicht doch zu viel für das Schreiben seiner eigenen Texte geopfert hat?

Was ist Medienwirklichkeit? Oder: We got him!

Was ist eigentlich Medienwirklichkeit? Das heißt, dass nicht die Wirklichkeit wirklich ist, nicht das Wirkliche die Wirklichkeit bestimmt, sondern das Mediale wirklich ist und die Medien wirklich sind. Medienwirklichkeit ist charakterisiert durch den Umstand, dass nicht die Nachricht eines Faktums unsere Wirklichkeit bestimmt, sondern die Art und Weise ihrer medialen Inszenierung. Das klingt zu abstrakt? Nehmen wir ein Beispiel: […]

Das Romantik-Handbuch von Helmut Schanze – ein romantisches Hand-Buch?

Seit 2001 war es vergriffen, und jetzt wurde es, leicht aktualisiert, wieder aufgelegt – das Romantik-Handbuch von Helmut Schanze. Dieser Umstand beweist nicht nur die große Resonanz und die starke Nachfrage, die dieses Buch ausgelöst hat, sondern das ist auch Anlass genug, noch einmal einen Blick in dieses immerhin über 800 Seiten starke, dennoch im Taschenbuch-Format gedruckte Buch zu werfen.

Interpretation und Lebensroman: Inhaltsverzeichnis, Vorwort und Download des gesamten Textes

Wie lassen sich veränderte Handlungsmöglichkeiten für den Umgang mit Literatur vorschlagen? Wie entwirft man, ausgehend von „konstruktivistischen“ Grundannahmen, Kunst und darin vor allem Literatur, damit sie neuerlich folgenreich erscheinen? Der in weiten Teilen der Kunst- und Literaturtheorie zu beobachtende strikte Gegensatz von Kunst und Wirklichkeit löst sich zunehmend auf zugunsten von neuen Möglichkeiten für die Produktion und Rezeption von Kunst und Literatur: Kunst und Literatur werden jetzt weniger als emphatische Gegenentwürfe, als utopische Korrektive, als großartige Mythen, nicht als phantastische Entschädigungen für fundamentale Mängel verstanden, sondern als selbstverständliche, alltägliche Demonstrationen der Irritation und (Neu-)Konstruktion von Wirklichkeit. Relationen des gegenseitigen komplexen Einflusses wie etwa Verzögerungen und Beschleunigungen spielen in antagonistischen Modellen von Kunst und Wirklichkeit eine zu geringe Rolle.

Wer wählt schon Arnold Schwarzenegger?

Sowohl diejenigen, die Arnold Schwarzenegger zum Gouverneur von Kalifornien gemacht haben, als auch diejenigen, die ihn ablehnen, folgen einem Schema, das durch Arnold Schwarzenegger in die Politik gebracht wurde, nämlich einem typischen Medienschema des Helden, der die Probleme beseitigen wird. Arnold Schwarzenegger hat dieses Schema intensiv ausgenutzt und war in dieser Hinsicht vielleicht klüger als manche Kritiker, die Medien und Politik verwechselt haben.

Den ganzen Luhmann in einem Band. Eine Rezension.

Im Wintersemester 1991/92 hat Niklas Luhmann an der Universität Bielefeld eine Vorlesung mit dem Titel Einführung in die Systemtheorie gehalten. Die Vorlesung wurde frei, wenn auch nahezu druckreif gehalten, wie Dirk Baecker in seinem Vorwort berichtet, und sie wurde aufgezeichnet. Das vorliegende Buch ist die Transkription dieser Aufzeichnung, die nur sehr behutsam, wie der Herausgeber angibt, den Text der schriftlichen Form anpasst.

Electronic Publishing: Dimensionen und Konsequenzen eines Begriffs

Der neumediale Zug fährt seit geraumer Zeit. Es ist ein Hochgeschwindigkeitszug – sagen manche. Und was geschieht mit dem Buch, Inbegriff linearer Standhaftigkeit? Die Produzenten des Buchs sind unsicher. Sie verharren zum Teil, sich gegenseitig aufmunternd und jene sinnlich-realen Vorzüge des alten Materialobjekts hervorhebend, die heute und künftig das Buch mit Einband und dem Duft der Druckerschwärze unersetzbar machten. Aber, sie wollen auch nichts verpassen, fahren mit und geben gar bisweilen die Richtung vor. Das Potenzial der Digitalisierung scheint gewaltig. In vieler Munde ist dabei der Begriff Electronic Publishing. Er, nicht anders die deutsche Übertragung “Elektronisches Publizieren”, hat das Problem, relativ unterschiedliche Phänomene zu bezeichnen, die zwar aus buchtheoretischer Sicht durchaus gemeinsame Bezugspunkte haben, zunächst aber, und vollends in der Praxis, zu differenzieren sind.
Der Text untersucht Formen des electronic publishing und die Konsequenzen für das Buch und den Buchmarkt. Er kommt zu dem prognostischen Ergebnis, dass diese Publikationsform das Buch keineswegs verdrängen wird, sondern vielmehr sein Überleben sichert.

Massenmedien – die post-moderne Einlösung des Romantischen Programms einer Neuen Mythologie

Als ideenschneller Vordenker der Frühromantik entwarf Friedrich Schlegel 1800, im Jahr des Scheiterns der Programmzeitschrift für romantische Ironie mit dem Namen Athenäum, die Vorstellung einer ‘Neuen Mythologie’. Dieses Programm einer Neuen Mythologie sollte im Ausgang des turbulenten Jahrzehnts der 1790er die Misere moderner Poesie reparieren. Im Rückblick aus den 1990ern erkennen wir, dass Schlegel in seinen Überlegungen zu Moderner Poesie und Neuer Mythologie tatsächlich über das Verhältnis zwischen der situation post/moderne und der Realität der Massenmedien nachdachte. (Handelt es sich dabei um die überraschenden Einsichten des Propheten Schlegel, der sich hier als vorwärtsgewandter Historiker betätigt, oder liegt vielmehr ein Fall von preadaptive advances der kulturellen Semantik vor, die erst im Übergang aus dem Speicher- ins Funktionsgedächtnis retroaktiv zur Prognostik werden?)

Der Mensch, geschält und entkernt. Ein Besuch der Münchener „Körperwelten“-Ausstellung.

Seit 1996 tourt der Anatomie-Professor Gunther von Hagens unter dem Motto “Die Faszination des Echten” mit seinen präparierten Körperspendern um die Welt, mit überwältigendem Erfolg: Über elf Millionen Besucher sahen bislang die Ausstellung “Körperwelten”; in München, der vorerst letzten Station, sind es bislang 500 000. Der Beitrag versucht in einer Mischung aus persönlichen Impressionen, rezeptionspsychologischen Reflexionen und Beobachtungen vor Ort der Attraktion der Ausstellung näher zu kommen.

Nachruf auf Niklas Luhmann

Der Tod von Niklas Luhmann dient als Anlaß, die eigene Betroffenheit und die Entwicklung der Systemtheorie spannungsreich aufeinander zu beziehen. Das Werk dieses exzeptionellen Denkers des 20. Jahrhunderts erlaubt nicht nur einen Rückblick auf radikale Tendenzen der Theorieentwicklung wie z.B. die Autoreflexivierung der Theorie selbst, sondern eröffnet auch prognostische Ausblicke auf die weitere Entwicklung einer scientific community unter systemtheoretischen Vorzeichen für das 21. Jahrhundert.