Jahresarchiv | 2007


Yes, Žižek can! Avantgarde und Gesellschaftskritik in der Postmoderne

Unter dem Begriff Culture Jamming werden bestimmte Formen urbaner, also öffentlicher Kunstaktionen gefasst, die kulturelle Codes umcodieren und subversiv in die urbane Kommunikation wieder einspeisen. Culture Jamming bezeichnet also eine Kunstform, die sich sehr nahe an der politischen Aktion bewegt (und seine Vorgänger tatsächlich im Situationismus, Fluxus, Happening usw. hat). Sinn dieser parasitären, subversiven Kunstformen ist natürlich die Irritation und das Bewusstmachen der Manipulation durch (kommerzielle und politische) Werbung im öffentlichen Raum, indem diese Werbung angeeignet und subvertiert wird. Culture Jamming umfasst eine internationale und international agierende Kunstbewegung, die, um ein Datum zu nennen, seit 1989 von der kanadischen Organisation Adbusters so bezeichnet und gefördert wird.

In diesem Beitrag soll zunächst die Idee des Culture Jamming vorgestellt werden, um spezifische diskursive Strategien aufzuzeigen, die nicht nur in der Aktions-Kunst verfolgt werden, sondern – und das wird im zweiten Teil des Beitrags besprochen – weit darüber hinaus auch in dem kultur- und gesellschaftskritischen Werk des slowenischen Philosophen und Psychoanalytikers Slavoj Žižek. Die Strategie des Culture Jamming kann somit als eine disziplin-übergreifende, typisch postmoderne diskursive Praxis beschrieben werden.

Pirates of the Caribbean: Eine Trilogie als (Neo-)Barocker Kreislauf

Während die Mehrzahl der Literaturwissenschaftler die Postmoderne, oder sogar schon die Post-Postmoderne, als Erklärungsmodell für zeitgenössische Texte verwenden, greifen andere Wissenschaftler die Möglichkeit des Barock im Zeitalter der Moderne auf. Die daraus resultierende Ästhetik ist die des Neobarock, die sich zwar auf ihren historischen Vorgänger beruft, diesen aber gerade wegen seiner antiquierten Stilistik ablöst. Um ein solches neues Literaturkonzept zu etablieren, bedarf es der Analyse von Primärtexten, die dieses Erklärungsmodell rechtfertigen. Ein solcher Text ist Gore Verbinskis Pirates of the Caribbean-Trilogie, die nicht nur ein Verbindungsglied zwischen barocker und neobarocker Ästhetik darstellt, sondern das Spektrum der neobarocken Theorie erweitert.

Das Verlassen der Spiegelwelt. Grenzüberschreitungen im Film The Matrix

Der Beitrag interpretiert den Film The Matrix (1999) ausgehend von Spiegeln und Spiegelungen. In einer Vorüberlegung werden Spiegel formal als Grenze zwischen realem und virtuellem Raum aufgefasst. Die Interpretation beginnt mit einer Analyse der Szene, in der Neo die Matrix verlässt. Neo muss in diesem Filmausschnitt erst selbst zu einem Spiegel werden, um die Grenze in die Wirklichkeit zu überschreiten. Dabei wird erneut eine Differenz zwischen Realität („real world“) und Virtualität (Matrix) sichtbar. Zieht ein Interpret diese Unterscheidung ein weiteres Mal, so gelangt er zu einem weiteren Thema des Films: zur Religion und der Differenz von Immanenz und Transzendenz. Ein Ausblick auf den letzten Teil der Matrixtrilogie zeigt, dass Neos Tod und das Verlassen der Matrix ähnlich strukturiert sind.

Traditional Media and Internet Control in Singapore

Censorship has been practised in Singapore for several years. Though the authorities are unable to execute water-tight censorship, the political hegemony has still successfully eliminated what the authorities deem “undesirable” from the society. The following essay examines how Singapore censors traditional media as well as the internet, and evaluates the effectiveness of such censorship. As we will see, explicit censorship is effective in Singapore by arousing implicit censorship; and both kinds of censorship intertwine.

Liebeskonzeptionen im zeitgenössischen Liebesroman. Michel Houellebeqcs „Plattform“

Die Gattung des Liebesromans hat in den letzten Jahren nicht nur eine Renaissance erfahren, sondern auch tief greifende Veränderungen. Die Fülle an Neuerscheinungen lässt auf ein nicht enden wollendes Bedürfnis nach fiktionaler Liebeserfahrung schließen, stößt dabei aber auf ein zunehmend individualisiertes und emanzipiertes Lesepublikum. Eva Illouz und Niklas Luhmann präsentieren die Liebe als Kategorie romantischer Fiktion, die erst mit Hilfe von kopierten Mustern in außeralltäglichen Situationen entsteht. Doch das für Liebesromane gewöhnliche Happy End bleibt in Romanen wie Michel Houellebecqs „Plattform“ aus. Die darin vorgefundene Liebesvorstellung schöpft sich einzig und allein aus der Notwendigkeit eines intakten Sexuallebens. Die Verbindlichkeit und Stabilität der vormodernen Liebe, wie wir sie aus „Pride and Prejudice“ kennen, hat sich somit aufgelöst. Was bleibt, ist die exklusive Verbindung zweier Menschen.

Requiem für Baudrillard

In einem der zahlreichen Nachrufe auf Jean Baudrillard findet sich eine Anekdote, die wiederum auf eine Überlieferung des New Yorker verweist: Zu Beginn des Jahres 2005 hielt Baudrillard eine Lesung in einer nicht näher genannten New Yorker Gallerie. In der sich anschließenden Diskussion kam einer der Besucher auf den kürzlich verstorbenen Derrida zu sprechen. Schnell drehte sich das Gespräch um Nachrufe, und der Mann aus dem Publikum fragte Baudrillard: „What would you like to be said about you? In other words, who are you?”. Baudrillard antwortete wenig überraschend: „What I am, I don’t know. I am the simulacrum of myself.”

Kain und Raziel: Die Rache der unfreien Erlöser. Literatur- und medienwissenschaftliche Interpretationszugänge zur Video- und Computerspielserie „Legacy of Kain“

Der Beitrag untersucht inhaltliche Konflikte in Video- und Computerspielen am Beispiel der Action-Adventure-Serie „Legacy of Kain“. Dabei werden neben inhaltlichen Interpretationszugängen zum Thema Rache Konfliktpotenziale, Figurenkonzeptionen und philosophische und medientheoretische Fragestellungen zu diskutieren sein. Die Untersuchung führt vom problematischen Sein zum Tode der untoten Handlungsträger über die Doppelung zwischen den Protagonisten Kain und Raziel und das Motiv der Rache zu Überlegungen über die strukturelle Funktion des Sterbens in interaktiven Medien. Außerdem werden die ästhetische Funktion der Sexualitätstopik in „Legacy of Kain“ und die Parallele zwischen der seriellen Veröffentlichung der Spiele und ihren inhaltlichen Konflikten erörtert. Schließlich ist zu fragen, inwiefern solche Fragestellungen generell Zugänge für eine weiterführende Analyse von Games eröffnen können.

Von Räumen schreiben: Peter Ruderichs Vierzehnheiligen. Eine Baumonographie

Reminiszenzen ans Barock sind keine Seltenheit in der Gegenwartsarchitektur. Der klassizierende Purismus des Internationalen Stils ist längst Vergangenheit. Kompetente (und lesbare) Darstellungen übers Barock sind aber die Ausnahme. Eines der wenigen Beispiele eingängig-erhellenden Schreibens über barocke Architektur ist Peter Ruderichs Monographie zu Vierzehnheiligen, dem späten Haupt- und Gipfelwerk dieser Epoche. Traurig, dass dieses Monument zeitgenössischer Architekturpublizistik noch sechs Jahre nach seiner Veröffentlichung kaum zur Kenntnis genommen wird.

Kommerz und Populärkultur. Beispielanalysen zum progressiven Potential von Werbefilmen

Führten in den 1920er-Jahren Avantgarde-Regisseure wie Hans Richter und Oskar Fischinger Werbespots zur künstlerischen Blüte, erstickte der Nationalsozialismus diese durch die für ihn spezifische Instrumentalisierung im Keim – bei den Alliierten war es vordergründig die Vermischung mit Kriegspropaganda. Das Genre konnte sich an die sechzig Jahre lang nicht von diesem Trauma erholen und entwickelte sich – trotz Wirtschaftswunder und TV – zum kreativlosen 30-Sekünder, der als notwendiges Übel betrachtet wurde. Allein der Musikclip, in den 1980er-Jahren eingeführt und dank MTV und VIVA bis heute institutionalisiert, schaffte den Sprung zum Kunstwerk mit inhaltlich wie ästhetisch progressivem Anspruch. Währenddessen gelang es der Werbeindustrie auch durch den Einsatz von Star-Regisseuren wie David Lynch, Oliver Stone oder Volker Schlöndorff nicht, die anhaltende Ablehnung des Publikums gegenüber dem konventionellen Werbefilm zu überwinden. Doch manchmal wandeln sich Dinge – und in diesem Fall war es eine gleichermaßen rasante wie spektakuläre Entwicklung. Wer zurzeit durch das Internet streift, der kann nur staunen: dort gibt es viel frequentierte Websites wie „Cartoonland“ und „Clipland“, wo aus dem Fernsehen zusammengetragene Werbespots beste Vorabend-Unterhaltung bieten. Sogar eine eigene „Rezensionskultur“ hat sich herausgebildet, was zahlreiche Foren wie „Werbeblogger“ bestätigen, da hier interessierte Laien mit Marketing- und Werbeexperten lebhaft diskutieren, um durch konstruktive Kritik für eine „bessere“ Werbung zu sorgen. Die dogmatische Ablehnung des Werbefilms als einer „minderwertigen“, weil nicht an der Kunst orientierten Gattung, ist damit überflüssig geworden, und es ist an der Zeit zu fragen, ob Werbespots nicht doch wie Musikclips in der Lage sind, kommerzielle Intention und populärkulturelle Lesart zu verbinden, d.h. zwischen eindeutiger Werbeabsicht und populärer Unterhaltung zu oszillieren. Wenn weiter unten nun die Werbespots von „Bonus.net“ und „AXA TwinStar“ als exemplum ex negativo analysiert werden und daran anschließend jener positive von „Peugeot“ zum Modell 207, dann soll nicht nur demonstriert werden, dass Werbespots überhaupt in der Lage sind, populär zu wirken und zu erscheinen, sondern es soll auch gefragt werden, welche Verfahren am ehesten geeignet sind, dies zu erreichen bzw. wodurch dies nicht erreicht wird. Hierfür wird die Kombination verschiedener Disziplinen notwendig sein – namentlich Cultural Studies, Filmanalyse und Marketing.